Rezensionen

Gewaltiges Epochenbild des Balkans

Miroslav Krleža gilt als wichtigster Autor Kroatiens. Nach 50 Jahren ist sein umfangreiches Hauptwerk "Die Fahnen" ins Deutsche übersetzt worden: ein zeitgeschichtliches Epos über die Vor- und Nachgeschichte des Ersten Weltkriegs, abseits der gewohnten Narrative einer westorientierten Geschichtsschreibung.
Von Wolfgang Schneider / Deutschlandfunk



 Miroslav Krleža wurde oft als "Goethe" Kroatiens bezeichnet, was seinen Rang und seine Vielseitigkeit kennzeichnen mag, aber ein unglücklicher Vergleich ist: Denn das hart erarbeitete "olympische" Temperament und die Selbstbeherrschung des Weimarer Klassikers sind diesem Autor gänzlich fremd, wie man beim Lesen von "Die Fahnen" rasch bemerkt: Solch ausdauernde literarische Wut ist ganz ungoethisch.

Krleža klagt an: die korrupte Politik, die Unterdrückung im Vielvölkerstaat, die Riesenschweinerei des Krieges, Elend und Jammer des menschlichen Lebens im Allgemeinen.  

Politischer Familienkrieg

Zur Grundstruktur des Romans gehört der Vater-Sohn-Konflikt der zwei Kamilos. Hauptfigur ist der 1891 geborene Kamilo de Emerički, ein brillanter junger Kopf und Rebell mit messerscharfem Moralismus, den der Autor mit eigenen Erfahrungen und Leidenschaften ausstattet. Der Vater des zornigen jungen Mannes heißt ebenfalls Kamilo de Emerički und gehört zu den Honoratioren des Landes, ein hoher Beamter, Leiter des Polizeiressorts in Kroatien. Während der junge Kamilo das "Völkergefängnis" der Donaumonarchie hasst und auch das spätere Königreich Jugoslawien wegen seiner einfach weiter amtierenden politischen Elite verachtet, ist der ältere Kamilo ein Musterbeispiel genau dieser wendigen Machtspieler, die sowohl unter dem Regime der Ungarn wie auch im serbisch dominierten Jugoslawismus ihren Posten finden und bereitwillig kollaborieren; nach 1918 wird er gar Minister.

Schon der erste Band beginnt mit politischem Familienkrieg. Zum großen Verdruss des alten Emerički hat sein Sohn eine bissige Polemik über den Verrat der kroatischen Interessen veröffentlicht. Ein Text, der Anstoß erregt in Regierungskreisen. Nun reist der Vater - voller Scham und Wut - nach Budapest, um persönlich beim ungarischen Ministerpräsidenten zu antichambrieren und eine Entschuldigung vorzubringen. Zuvor führt er ein erregtes Gespräch mit dem Sohn, über den kroatischen Nationalismus, das Befreiungspathos und die "russischen" Methoden, vor denen manche dabei nicht zurückschrecken: Attentate und Anschläge. Aber insgeheim hat er doch einen gewissen Respekt und Vaterstolz.

"Wir pfeifen auf eure Beamten und eure Demokratie! Wir sind die Generation, die der kultivierten Welt unser Kroatien als ein souveränes, freies Land vorstellen wird, gerade deshalb, weil wir Europa sind, und weil wir keine ungarische Kolonie bleiben wollen! Wir knien nicht vor dem ungarischen König wie ihr, wir denken mit unserem Kopf, und ihr Herrschaften werdet längst verweste Salonröcke sein, wenn die Geschichte von uns reden wird.

So hörte Durchlaucht seinem Einzigen zu, wie er die Parolen eine nach der anderen nachplappert, und statt diesem demagogischen Quatsch entschieden zu widersprechen, kapituliert er widerstandslos vor Kamilos schwärmerischer Geschwätzigkeit, und alles zieht ihn zu diesem Jungen hin, der derart überzeugend suggestives Zeug von sich gibt, und man muss zugeben, der Esel ist helle und frech, und am Ende, vielleicht hat er auch gar nicht so unrecht." 

Erster Weltkrieg in der Literatur

Die dramatische erste Krisenphase des 20. Jahrhunderts ist in vielen Großwerken der Literatur behandelt worden. Der "Paukenschlag" des Kriegsausbruchs von 1914 (so die Formel in Thomas Manns "Zauberberg") folgt dabei auf die Darstellung einer Vorkriegswelt, die geprägt ist von einem langen, schal gewordenen Frieden.

Diesem Befund einer sehr zivilen, aber innerlich mürbe gewordenen Spätzeit, die unverhofft in den Krieg schlidderte, der anfangs von vielen eher als eine Art Abenteuer und historische Erfrischung begrüßt wurde - diesem Befund widerspricht Krležas Roman durch seine dezidiert südosteuropäische Perspektive. "Das blutige Jahrzehnt" wird dort bereits 1912 angesetzt, mit den Balkankriegen... Mehr.

Berichte

Museum der zerbrochenen Beziehungen

Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.

Berichte

Lumbarda: Ein modernes Reiseziel mit antiken Wurzeln

Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.

Rezensionen

Miroslav Krležas Werk im lichte der Französischen Kritik

Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...

Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.

Berichte

Das Bild der Deutschen in der neuen kroatischen Literatur

Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.

Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur

Berichte

Was willst du in Senj, Thilo?

"Und du willst nach Senj, Thilo?“

Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.

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