Rezensionen

Sonne und Meer, Lust und Gewalt

Wo Gier ist, lauert Grausamkeit, und Sex reimt sich auf Tod: Zoran Ferićs Roman über das wilde Inseltreiben im Kroatien der siebziger Jahren fällt mindestens so morbid wie burlesk aus.
Von Jörg Plath / NZZ



 Der Realitätsbezug von literarischen Werken kann Segen oder Fluch sein. Nach seinem Buch über Georgien wurde Andrei Bitow von anderen Sowjetrepubliken flehentlich gebeten, doch auch sie zu besuchen und ergriffen zu besingen als Länder, wo ebenfalls die Zitronen blühn sowie im dunkeln Laub die Goldorangen glühn.

Kroatiens Touristikmanager werden den Schriftsteller Zoran Ferić wohl eher bitten, im heimischen Zagreb zu bleiben und in Zukunft keine weitere Adriainsel als Schauplatz zu wählen. Sein neues Buch «In der Einsamkeit nahe dem Meer» spielt nämlich auf Rab, aber das Geschehen auf der «glücklichen Insel», die sich schon seit jugoslawischen Tagen grossen Zuspruchs insbesondere bei westeuropäischen Ferienreisenden erfreut, ist nur auf den ersten Blick glücklich: Sinnenlust paart sich dort mit Grauen. Während sich Miljenko Jergović, der andere grosse kroatische Autor, an der tiefen Geschichte des Landes abarbeitetvertieft sich Ferić in dessen Triebstrukturen. Stubenrein geht es bei beiden nicht zu.

Die libertären siebziger Jahre

Auf der ersten Seite des Romans, die den eben vom Festland angereisten jungen Luka noch ganz benommen von Sonne, Freiheit und Testosteron-Überschuss zeigt, fällt bereits das Wort «Tod». Die Heranwachsenden geniessen in der Exterritorialität der Insel, des Sommers und der Ferien die Freiheiten der sexuellen Revolution in den siebziger Jahren: Sie stellen jedem Mädchen, jeder Frau nach und treffen mit ihnen abendliche Verabredungen im Stundentakt – es könnte ja auch eine nicht auftauchen. Dann hängt sie weich wie eine erlegte Beute im Schwimmreifen. Er zieht sie zu einer nahe gelegenen Insel, wird unter ihrer Achsel befriedigt und schickt sie allein zurück, denn «er kann einfach nicht mehr zurück unter die Lebenden». Wunsch erfüllt, Mensch tot.

In neun Kapiteln, eigenständigen Erzählungen gleich, begleitet der 1961 geborene Ferić Luka, Boris, Bero, Škembo, Gavran und einige andere aus den siebziger Jahren bis in die jüngste Vergangenheit. Die sexuelle Revolution prägt sie, weshalb sie sich im EU-Staat Kroatien mit über fünfzig schwertun mit den nun dominierenden katholischen oder feministischen Frauenbildern. Im letzten Kapitel soll Gavran begraben werden, doch liegt – wie nur die immer wieder von ihm wegen anderer Trophäen verschmähte Geliebte Jelena weiss – der Falsche im Sarg. Zoran Ferićs Sittenbilder fallen mindestens so morbid wie burlesk aus.

Das wilde, gierige Inseltreiben, geschildert von einem Erzähler, der den Figuren nah ist, macht den Roman sehr kurzweilig. Nicht nur die Jungen suchen hartnäckig und unverfroren den Kick – auch die Damen aus der Ferne probieren aus, was sie sich zu Hause nicht trauen würden. Eine frisch Verwitwete aus Belgien soll nach dem Willen ihres Bruders über ihr Trauma hinwegkommen, weshalb sie mit Bero schläft, nicht ohne sich gleichzeitig gegen ihn zu wehren. Eine hübsche Mutter aus Deutschland zeigt ihre Dankbarkeit für die keusche Ritterlichkeit Škembos gegenüber der erst 14-jährigen Tochter, indem sie auf den Vorschlag ihres Ehemanns hin den jungen Mann bei jeder sich bietenden Gelegenheit besteigt... Mehr.

Berichte

Museum der zerbrochenen Beziehungen

Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.

Berichte

Lumbarda: Ein modernes Reiseziel mit antiken Wurzeln

Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.

Rezensionen

Miroslav Krležas Werk im lichte der Französischen Kritik

Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...

Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.

Berichte

Das Bild der Deutschen in der neuen kroatischen Literatur

Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.

Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur

Berichte

Was willst du in Senj, Thilo?

"Und du willst nach Senj, Thilo?“

Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.

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