Jagna Pogačnik (Jutarnji list)
Ich weiß nicht, ob es für den Fortgang eines Textes vernünftig ist, die Einleitung durch den Schluss zu ersetzen, aber ich werde dennoch ohne lange zu überlegen mit dem Fazit beginnen. Also, die neue Sammlung von Erzählungen des Schriftstellers und Kritikers Robert Perišić „Užas i veliki troškovi“ (Das Grauen und hohe Unkosten) gehört meinem Urteil nach definitiv zum absoluten Gipfel der einheimischen Prosaproduktion. Es gibt mehrere Gründe dafür, dass ich eine so „feste“ Meinung über 20 Geschichten kundtue, die vor der Zusammenfassung im genannten Band den Filter des Internets erprobt und so bereits ein gewisses Feedback erlebt haben, die ganz sicher bei der Zusammenstellung des Buches geholfen hat. Wenn man die neue Sammlung mit „Du kannst den, der nach uns fragt, anspucken“ (Možeš pljunuti onoga tko bude pitao za nas, 1999) vergleicht, kann man auf jeden Fall eine Entwicklung feststellen und etwas klischeehaft bestätigen, dass Perišić drei Jahre später reifer geworden ist; in gewisser Weise ruhiger und überzeugender. Doch damit haben wir der klassischen Kritiker-Äußerung über das famose Zweitbuch genügt, was nicht gerade viel über das Buch selbst aussagt.
Ich bin nämlich der Meinung, dass gerade die Prosa von Robert Perišić, sowohl im ersten als auch im zweiten Band, wirklich dem so genannten Realismus-Modell entspricht, das wir ungeachtet dessen verkündet haben, dass die Mehrheit der neuen Erzähler dieses Modell eigentlich allmählich verlässt. Perišić ist aus der Schar der herausragenden heutigen Prosaisten vielleicht der einzige, dessen Prosa tatsächlich ein klares Bewusstsein darüber besitzt, wie man auch unser heutiges Jetzt in das Mimesis-Modell umsetzen kann und dies auch mehr als erfolgreich tut. Zusätzlich ist äußerst wichtig, dass sich Perišić, während andere Erzähler aus derselben Genremodell-Schublade schockierende, brutale, gequält geistreiche, ideologisierte Motive einführen und damit sehr oft in Manierismus oder in Publikumsanbiederung übergehen, für einen eigentümlichen Minimalismus entscheidet. In seiner Prosa gibt es keine großen Ereignisse und Wendungen, alles ist inhaltlich und formal angemessen aber von sehr großem Effekt. Perišićs zweiter Prosa-Band ist nur mittelbar ein Buch über eine Übergangszeit und über den betrogenen Konsumenten, wie dies in den Medien verkündet wurde. Wenn wir nämlich diesen Rahmen annehmen, droht die Gefahr, dass diese Erzählungen als sozialkritisch verstanden werden, was nur teilweise richtig ist, vielleicht auch weniger wichtig. Hoffungslosigkeit, fehlende Perspektive und das Gefühl, keine Chance zu haben, entstehen tatsächlich aus dem sozialpolitischen Rahmen, der hier nur allmählich, unauffällig angedeutet wird, wie der Vorbeimarsch der Streikenden an der Hauptfigur in der Erzählung „Sredimo to odmah“ (Erledigen wir das sofort). Doch eben diese Figur ist sich dessen bewusst, dass „die Politik deswegen besteht, damit der Mensch nicht an sich selbst denkt“. Perišićs Figuren sind nicht völlig dieser Art von Opiaten ausgesetzt, im Gegenteil, sie sind ohne Rücksicht auf alles mit sich selbst, mit der eigenen Generation, den eigenen Lieben konfrontiert, sich bewusst darüber, dass die Zeit gekommen ist, da man unter normalen Bedingungen „nicht mehr für das einfache Leben kämpfen sollte“, und sich gleichzeitig erst dessen bewusst, dass das unter den gegebenen Umständen einfach unmöglich ist. „Das Grauen und hohe Unkosten“ ist ein stark generationsbewusstes Buch; es geht um Menschen anfangs der Dreißiger, frühere Rocker, deren Problem nicht nur darin besteht, wie man die Techno-Musik überleben kann, wie z.B. in der Erzählung „Parti je bio u izlaznoj fazi“ (Die Party neigte sich dem Ende zu), sondern auch, wie man im Bewusstsein darüber weiterleben kann, dass die Wirklicht nicht die ist, in der man lebt, sondern die, der man ausweicht, wie das eine Figur im Text „Uopće nema osjećaja“ (Er besitzt überhaupt kein Gefühl) denkt. Perišićs Erzählungen einer Generation reflektieren wie bereits im ersten Buch einerseits die Wirklichkeit bzw. die neuralgischen Punkte ihres Übergangs, die wesentlich seine Figuren bestimmen, gefangen in der Falle der Jahre, der Mittellosigkeit, alter Autos, vergangener Liebschaften, hübscher Studentinnen, mit denen nichts wird, obwohl man es sich wünscht. Andererseits werden aber auch Zweifel gehegt, ob tatsächlich die Zeit dafür gekommen ist, da sich die ehemaligen Rocker aufs „Angeln“ und auf das „Beobachten des Schwimmers“ verlegen und das Leben als Videoband annehmen sollten, das nur noch in Illusionen wie ein Film ablaufen kann. Gegen Ende des Buches tauchen zugegebenermaßen auch Erzählungen auf, die sich ein bisschen von den ruhigeren, etwas melancholischen aber auch klassischer erzählten Texten in der Mitte des Buches unterscheiden; sie sind den Geschichten des ersten Buches etwas näher, so dass in ihnen neben dem zeitlichen Schritt in die Vergangenheit auch mehr Experimente festzustellen sind (wie etwa die weibliche Erzählperspektive oder Geschichten, geschrieben in einem phonetischen Englisch). Die wichtigsten Erzählungen dieser Sammlung sind auf jeden Fall, neben den bereits erwähnten, die Generations- und die leisen Liebesgeschichten mit einem leichten soziopolitischen Hintergrund, auf deren mimetischer Oberfläche sich kleine Existenzdramen abspielen, aus der Tatsache entstanden, dass dies unabänderlich ist – „man ist zu diesem Leben verurteilt“. In die Reihe der besten gehört auf jeden Fall die Erzählung „Svi tečajevi počinju u jesen“ (Alle Kurse beginnen im Herbst) als ein hervorragender Einstieg in das Buch, oder aber „All die komischen Geschichten“ („Sve te smiješne priče“, „Shoping“, „Moja sućut“ / „Mein Beileid“) usw.
In seinem erzählerischen Minimalismus ist Perišić in mehrfacher Hinsicht hervorragend – seine Erzählungen besitzen eine besondere Atmosphäre, überzeugende Dialoge und enden meist mit effektiven aber nicht aggressiven Pointen. Die Figuren werden durch innere Monologe und eine unaufdringliche Psychologisierung in groben Zügen skizziert, wirken dabei aber plastisch und überzeugend. Seine Sätze sind bewusst karg und kurz, die Sprache urban mit Ausflügen in den Zagreber oder den dalmatinischen Slang, insgesamt präsentiert sich ein ausnehmend gehaltvoller und sprachlich bewusster Erzähler. Für Perišićs Erzählungen trifft am besten die Aussage zu, dass es tatsächlich faszinierend ist, wie er auf nur wenigen Seiten das zu erzählen vermag, wofür andere Hunderte von Seiten benötigen, dabei oft genug ohne den entsprechenden Effekt.
Aus dem Kroatischen
von Tihomir Glowatzky
Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.
Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.
Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...
Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.
Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.
Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur
"Und du willst nach Senj, Thilo?“
Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.