"Erschreckend und gleichzeitig grotesk beschreibt Maša Kolanović, wie sie ihre Kindheit zwischen Barbie-Scheinwelt und ständiger Kriegsbedrohung erlebt hat."
Von Kathrin Plett, belletristik-couch.de
Kolanović, Maša: Underground Barbie (2012 Prospero)
Sloboština ist eine Hochhaussiedlung an der Peripherie von Zagreb. Maša Kolanovićs Protagonistin wächst dort in den achtziger Jahren auf, und wie viele Mädchen auf der ganzen Welt verbringt sie mit ihren Freundinnen etliche Stunden des Tages in der glamourösen Scheinwelt ihrer Barbiepuppen. Anfang der neunziger Jahre drängt sich die politische Realität, der Krieg und Zerfall Jugoslawiens in die unbeschwerte Kindheit. Bei Luftalarm bringen sich die Bewohner im Hochhauskeller in Sicherheit. Barbies Welt entsteht nun zwischen Einmachgläsern und Rattenfallen, eine ramponierte Ken-Figur vom Flohmarkt wird zum nationalistischen Anführer befördert.
Jugoslawien Anfang der neunziger Jahre: Dem Land droht der Zerfall, Krieg herrscht und die politische Realität hinterlässt selbst in den Spielen der Kinder ihre Spuren: Mit Barbies, verehrten Statussymbolen aus dem Westen, wird ausgedrückt, wir die junge Protagonistin und ihre Freundinnen den Krieg erleben. Erschreckend und gleichzeitig grotesk beschreibt Maša Kolanović, wie sie ihre Kindheit zwischen Barbie-Scheinwelt und ständiger Kriegsbedrohung erlebt hat.
Die junge Ich-Erzählerin, ein Mädchen von etwa 10-12 Jahren, kann sich als stolze Besitzerin einer echten Mattel-Barbie bezeichnen, was in den achtziger Jahren in einer Hochhaussiedlung in Jugoslawien keinesfalls selbstverständlich war. Eine echte »Crystal Barbie«, welcher nun noch weitere Barbies folgen sollten. Eine »Day to night Barbie«, deren Outfit man von der toughen Geschäftsfrau zum nächtlichen Vamp verwandeln konnte, mehrere »Skippers«( = nixenartige Strandbarbies) und eine »Tropical«. Je mehr Zubehör dabei war, desto größer war die Freude und die Anerkennung bei den Klassenkameraden. Und was dann noch zum ultimativen Spielglück fehlt, wird durch Kreativität ausgeglichen: Rote Schuhe werden zum Ferrari oder Legosteine zu Hochzeitsgeschenken umfunktioniert.
Typisches Kleine-Mädchen-Spiel, könnte man bis hierhin meinen, doch der Inhalt der Spielszenarien offenbart, so lässt sich zumindest hoffen, einen großen Kontrast zu den üblichen Glamourträumen normaler Barbiespiele.
Regelmäßig nach der Schule oder während der häufigen durch Luftalarm veranlassten Aufenthalte im Keller (Underground) des Hochhauses verbrachten Stunden, werden die Barbies zum Leben erweckt und erleben ihre eigenen Abenteuer: Eine Überzahl weiblicher Barbies und ein stark lädierter, unechter Ken, von den Kindern nach einer Serienfigur Dr. Kafješ benannt, durchleben eine Wirklichkeit, die mehr Grausamkeit beinhaltet, als man Kindern in dem Alter zu kennen zutraut. Komplizierte Liebesbeziehungen sind nur der Anfang, brutale Vergewaltigungen und sexuelle Handlungen und Kriegsszenarien das weitaus Schwerwiegendere:
»Plötzlich war die Festhalle erfüllt von Geschrei, und bald sah ,am überall nichts als Leichen. Leblose Barbiekörper, die beiden Skipper, die Bäuerin, deren Zöpfe von den Schüssen durchlöchert waren, die beiden brutal ermordeten Legomänner, alle lagen sie in einer rosarot verdünnten Blutlache um den großen Leichnam der kahlköpfigen Säuglingspuppe, die nun keinen Kopf mehr hatte.«
Die Barbies sind für die Kinder mehr, als nur totes Spielzeug, sie geben ihnen Seele, Gefühle und Charaktere, die sie durch ihre eigenen Empfindungen und Erlebnisse füttern. Die Barbies kommt eine therapeutische Funktion zu, die den Kindern hilft, die traumatischen Ereignisse ihrer Kindheit zu verarbeiten.
Maša Kolanovićs Roman widmet sich auf naive und unbefangene Weise, eben durch die Augen eines Kindes, einem Thema, welches ernster und schrecklicher kaum sein könnte: Dem Krieg mit seiner geballten Grausamkeit und Brutalität, voller Angst und Ungewissheit.
Durch die Verlagerung der Realität in die Scheinwelt der Barbies, die normalerweise Glamour und heile Welt darstellt, entsteht eine skurrile und groteske Atmosphäre, durch die das Thema eine gewisse Distanz bekommt, was einerseits einen offeneren Umgang bewirkt, was jedoch auf Kosten die Ernsthaftigkeit geschieht. Mehrere Male kommt beim Leser die Frage auf, ob Kinder im Alter der Protagonistin wirklich derartige Phantasien entwickeln:
»Auf der Besuchsliste ganz oben stand das Schlafgemach von Dea’s Barbie und Ana\'s Mr. Ken. Für Kafješ war endlich der Moment gekommen, ihm alle Knochen zu brechen , sein Herz auszuquetschen und das Blut genüsslich durch einen Strohhalm zu schlürfen«.
Ähnliche Passagen kommen gehäuft vor, wirken redundant und verfehlen ihr Ziel, indem sie eher gewollt und gezwungen wirken. Immer mehr bekommt der Leser den Eindruck, die Handlung dreht sich im Kreis und die Szenarien der Barbies wiederholen sich. Da helfen auch die vielen Skizzen nicht, die das Buch durchgängig gestalten.
Alles in allem ist der Roman Underground Barbie von Maša Kolanović zwar mal etwas komplett anderes und verdient sicherlich eine Chance, dennoch können die beinahe 200 Seiten, die der Roman umfasst dafür schon sehr lang werden …
Kathrin Plett, September 2012
http://www.belletristik-couch.de/masa-kolanovic-underground-barbie.html
Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.
Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.
Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...
Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.
Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.
Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur
"Und du willst nach Senj, Thilo?“
Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.