Lyrik

Janko Polić Kamov: Gedichte

Janko Polić Kamov (1886 — 1910) war ein kroatischer Erzähler, Dichter und Dramatiker. Starrköpfig und von überschäumendem Temperament, legte er sich den Namen Kamov zu, nach Ham (oder Kam) aus dem Alten Testament, der seinen Vater Noah nackt gesehen, um Gegensatz zu seine Brüdern Sem und Jafet seine Blöße aber nicht zugedeckt hat und deshalb verflucht wurde. In einem Brief an seinen Bruder Vladimir schrieb er 1910, Kamov sei für ihn „ein literarisches Programm“. Sein literarisches Werk war von geringem Umfang, dafür aber überaus bedeutsam, da in seinen Gedichten, Erzählungen und Bühnenstücken seine Verärgerung und Enttäuschung über die Heuchelei und die Ungerechtigkeit seiner Zeitgenossen in einer Weise zum Ausdruck kamen, wie es sie bis dahin in der kroatischen Literatur nicht gegeben hat. Zu seinen Meisterwerken zählt der modernistische, von psychosexuellen und geistigen Konflikten geprägte Roman „Isušena kaljuža“ (Der ausgetrocknete Sumpf, 1906 — 1909, gedruckt 1956), der als Beginn der literarischen Avantgarde in Kroatien angesehen wird. Sein Werk und seine ungestüme, rebellische Natur brachten ihm de Ruf eines der größten Rebellen und Bilderstürmer in der Geschichte der kroatischen Kultur ein. Der „Ritter des schwarzen Fluches“, wie er auch genannt wurde, starb im Alter von 24 Jahren in Barcelona und wurde in einer namenlosen Gruft auf dem Armenfriedhof des „Hospital de la Santa Creu“ beigesetzt. Heute befindet sich an diesem Ort die Katalonische Nationalbibliothek.



PRÄLUDIUM

 

Vergewaltigten will ich dich, du unschuldiges, weißes Blatt Papier;

gewaltig ist meine Leidenschaft, du wirst sie kaum ertragen;

bleich vor Entsetzen entziehst du dich meinem Zorn;

ein Kuss auf dein weißes Antlitz: Schwarz ist die Farbe meiner Küsse.

 

Kein Gesetz soll walten über dir. Gestorben sind die Gesetze für mich;

ich flüchte vor ihnen und schnell wie der Blitz ist meine Flucht.

Ich ging vorbei, wo gebogene Rückgrate kriechen,

wo Hunde Orgien feiern und das Lecken ihre Unzucht ist.

 

Du entziehst dich, scheues Reh, zitterst wie die erste Scham;

verlockend ist die Unschuld, aber Wahnsinn ist ihr Echo;

wahnsinnig bin ich, du weißes Papier, und Wut lodert in meinem Auge.

 

Fromm ist das Volk, es hat die Schwänze eingezogen,

keine Ehrlichkeit flackert in seinen Augen und schleppend ist sein Gang;

Schnüffeln ist seine Arbeit und reich ist sein Lohn;

dort gibt es keinen Platz für mich und bestrafen will man meine Wut:

ich schlucke meine Gedanken herunter und ersticke an Scham.

 

Halt ein, meine Liebe, und behorche meinen Schmerz;

menschliche Worte nimmst du in dich auf, aber noch hat kein Esel einen Menschen verstehen können;

Ochsen ziehen den Pflug und der Knechtschaft verdanken sie ihr Heu;

der kleine Rappen trägt den Edelmann und seiden glänzt sein Haar;

ausgiebig wird der Eber gemästet und es mundet sein Fleisch;

dünn sind die Gesetze und scharf, und voller Hafer die Ställe.

 

Lauf nicht weg, geküsstes Mädchen, es gibt keine Frau für mich;

sie geben sich nicht her für nervöse Küsse und das Straffen der Haut;

es gibt kein Gold bei mir und kein Diplom ist ohne dieses erhältlich.

 

Ich liebe dich, weißes Papier, und warm ist meine Liebe;

warm wie mein Blut und Wahnsinnig wie die Wut, die in mir wohnt;

Für immer sei mein, denn schwarz sind meine Küsse;

schwarz sind meine Küsse und rot in ihnen das Blut.

 

 

MOSES

 

Eine Bewegung von Menschenhand, eine Fessel für Millionen;

zehn Gebote, allesamt, zehn regungslose Götter;

im Spiel des kurzen Augenblicks liegt die Antwort auf Jahrtausende.

 

Ich blicke in dein Gesicht, Moses, durchschaue den Betrug der Farben;

sehe auf deine Hände, Moses, auf die Nacktheit deines Gedankens;

schwarz ist deine Hand wie die Inquisition;

absurd dein Gedanke wie das Dogma;

falsch deine Farben wie die Heiligkeit der Könige.

 

Sieh mich an, ich lache auf deine Rezepte herab;

weder bist du Meister, noch sind die Menschen tönerne Erde,

noch die Gebote deren Modelle!

Eine Bewegung von deiner Hand — und Gelächter erhallt

voll Ironie, Sarkasmus und Spott;

ein System für eine Welt — aus unverschämtem Einwand übermütiger Hirne;

ein Gott und die Moral — und Menschen aus Blut und Mägen und Gliedern.

Am Anfang war es der Hunger, der sprach und sagte: Du lügst!

Die Leidenschaft mit blutigem Schrei erwiderte: Du lügst!

Laut dröhnte der Gedanke: Du lügst!

Es donnerte des Menschen Wort, sein Hymnus, der sagte: Du lügst!

Bleich wurde der Himmel wie Angst und zittrig wie welke Knochen.

 

Ein komischer Mensch bist du, Moses, und bestialisch ist dein Zorn;

deine Augen funkeln wie die Augen des Stiers;

deine Wut wallt wie die Wut des Toren.

Edel erklingt unser Hymnus und er begegnet dir mit Gelächter.

 

Gute Nacht, Moses; ruhe sanft

wie das Folterwerkzeug und der Index und des Erlösers flammend Wort,

wie die Seelen der Könige und das Gewissen der Päpste.

Gute Nacht, Moses; ich gehe fort.

Es ist die Sonne, die nach mir ruft!

 

 

LIED AN DIE SONNE

 

Es kommt die Sonne, eisige Seele, und vertreibt die Gespenster des Frostes;

es kommt ein blutjunger Gott und schenkt dir das Feuer seines Blutes;

warm ist sein Blut und seine Worte sind wie die Worte der Liebenden;

er ist der Gott der Leidenschaft und seine Leidenschaft ist rein;

lebhaft ist seine Leidenschaft, wie das Reh und mild wie die Brise;

sein Flüstern ist leise wie der Duft und der Duft ist sein Wort.

 

Unschön ist deine Melancholie, wie Glockengeläute;

trübsinnig deine Akkorde, wie das Spiel der Orgel;

traurig bist du, trist, wie die Karwoche;

keine Leidenschaft steckt in deinem Schmerz und dein Leiden ist Teil vom Nirwana.

 

Was schrakst du auf, wehmütige Seele — vergänglich sind die Gespenster des Frostes:

sie sind wie Rauch und Alkohol;

betrunken bist du, eisige Seele, und unschön riecht dein Atem;

er ist wie der Atem der Schenken und die abendliche Litanei;

er ist müde wie die Glocke und der Gedanke des Betrunkenen;

gelb wie die Blätter, tragisch wie der Herbst;

tot wie dein Blut, wie der winterliche Himmel:

du bist so eisig, wehmütig, o meine trübsinnige Seele.

 

Sieh, es kommt ein blutjunger Gott;

in seinen Strahlen bringt er Blut und sein Atem ist wie die biblische Geschichte;

lieblich sind seine Schritte, wie Knospen an einem Frühlingsmorgen:

warm ist seine Empfindung, wie ein Mittag an sommerlichen Meeresufern;

gut ist der blutjunge Gott, wie eine Mutter;

seine Lippen sind Küsse und Feuer sein Auge;

weich sind seine Hände wie die Hände der Kinder, seine Liebkosungen wie die Tränen des Mitleids;

leicht ist sein Flüstern, wie deine Hoffnung.

 

Es kommt ein blutjunger Gott und groß wird sein Triumph;

jubeln wirst du, betrübte Seele, und dein Jubel erklingt wie die erste Liebe;

riesig wird deine Hoffnung, wie der Samen der Menschheit:

wie meine warmen Lippen, die das Lied an die Sonne singen.

 

 

EISIGE UNZUCHT

 

Hier lass uns sterben, Kitty, die Kraft ist aus meinen Gliedern gewichen;

kein Ausgang führt aus dem eisigen Wald und kein Weg durch die Finsternis;

zugeschneit ist alles und verschwunden darunter unsere Spuren;

gesunken ist mein Arm vor Erschöpfung und Frost hat meinen Gedanken befallen;

wir gehen unter, Kitty, und gierig lauert der Rachen des Todes.

 

Kennst du noch den Sommer und meine Gedichte?

Papier soll den Nachkommen meine Sünden erzählen,

dass ihnen mein Name zum Fluch werde;

dir weinen sie nach und Tränen werden fließen, Kitty;

entweiht durch meine Verse bist sprühende Unzucht du in meinem Buche.

 

Erschrocken sind deine Augen und erfroren dein Atem;

grau bist du vor Kälte und zersprungen deine Lippen;

es zittert deine Seele zur Melodie des Entsetzens;

gestorben ist die Atmosphäre und dein Lied, das sie umkreist;

es war von kurzer Dauer, nun kehrt es zu uns zurück wie der Schnee.

 

Hörst du meine Worte, verkommene Scheue?

lautlose Unzucht sind sie und eisig fallen sie zu dir nieder;

umschlungen von meinen Armen — o, gib mir das Flüstern des Blutes.

 

Sieh, finster wurde die Sonne und fahler ihre Strahlen;

allein im Grauen erfrorener Münder und schwarz gähnt der gespenstische Rachen;

 

er ruft uns zu mit gierigem Gesang;

es wüten seine Zähne und zermalmen wollen sie unsere Gebeine.

 

Gib mir das Flüstern des Blutes — im Blut fließt unser Leben;

stärker als alle Wut versteht es dem tödlichen Drang zu trotzen;

o, hauche mir zu, dass wir aufspringen mögen und uns aneinander drücken;

schläfrig ist unser Blut — im Wachsein liegt unsere Rettung.

 

Sieh, Eis ist gefallen und unsere Gottheit liegt im Sterben;

glanzlos ist meine Mutter und tot sind ihre Lippen;

milchlos sind ihre Brüste und es sterben ihr die Kinder;

eisig ist das Entsetzen und sein Strahl, der über uns hinweg zieht;

erfroren sind meine Worte und bleiern fallen sie auf uns nieder.

 

Wo ist dein Blut, Geliebte?

mein Nagel wird nach ihm suchen und forschen wird mein Zahn,

wie die Augen des Hungers und die Stimme der Flut.

 

Ertaubt bist du für meine Worte und verstummt ist deine Leidenschaft;

sag, wo ist dein Blut, Frau meiner Gedichte und Träume?

im Sterben liegst du, Liebste, und keine Glocken erklingen zu deinem Begräbnis;

erfroren ist dein Blut und zerbrochen sind deine Gebeine,

erkaltet ist mein Atem und gestorben ist der Kuss.

 

Die Speisen sind angerichtet, Gespenst, sie sollen dir munden,

gemeinsam ist uns der Teller, Kitty, und unsere Körper sind seine Gerichte;

getraut wurden wir, Frau — im Gedärm lass uns Hochzeit feiern;

die Heirat ist nahe und das Ehebett ist gemacht;

das Ehebett ist gemacht — und vernagelt sind seine Bretter.

 

Gemeinsam ist uns das Grab und kein Kreuz steht auf seinem Hügel;

gemeinsam ist uns der Sarg und die Umarmung unserer Körper;

feucht ist die Erde — oh, tote Geliebte.

Seelenlos ist unser Gerippe und der Zerfall unseres Fleisches;

Würmer sind unsere Küsse, verfault sind die bestrichenen Bretter.

 

Sind es Tränen, die aufs Grab niedertropfen, und blühende Blumen?

liebkost uns die Feder des Dichters, die Wärme mitleidsvoller Jugend?

wird man je die Erdschicht durchgraben, den Deckel des Sarges aufbrechen?

findet man unsere Gebeine und ließt den letzten Vers?

 

Kurz war mein Leben, zu früh entstarb meine Seele;

früh war mein Tod, wie all die verfrühten Leidenschaften;

aus totem Grabe erhallt der Schrei und mahnend ist sein Klang;

er ist die Verzweiflung der Klage und das Feuer des Widerstandes.

Seht, die irrende Unzucht, die Leidenschaft des Seins;

verflucht meine Gedanken und versengt deren Flügel;

sie kriecht aus den Leichen hervor und Aufruhr ist ihr Atem;

Tot lieben unsere Körper einander und verbittert ertönt ihr Schrei.

 

Verwirrt war Mutter Natur und trunken, als sie gebar:

eng war mein Leben und weit, weit war meine Seele.

 

 

DAS HOHE LIED

 

Gehen wir, Zigeunerin, du meine schwarze Geliebte;

dunkler ist deine Haut und schwarz deine Augen;

zerschunden sind deine Füße und fettig dein Haar;

schwarz bist du, wild, o meine schwarze Geliebte.

 

Ich liebe den Schrei aus deinen Augen und liebe den Schrei aus deiner Brust;

darin steckt unsere Liebe, im Schmerz liebt man die Frau und der Schmerz gebärt die Kinder, o meine nackte Geliebte.

Groß bist du in deiner Freiheit und größer noch ist unsere Liebe,

unsere Liebe, dunkel wie der Wald und blutig wie die Gottheit;

meine Frau ist die erste unter den Frauen: schwarz wie die Nacht, geheimnisvoll wie die Wolke,

wild wie mein Kuss und aufrührerisch wie meine Verse.

 

Unsere Liebe wird ein Chaos sein: trüb und durcheinander gemischt, kein Wort kennt man dafür;

wir küssen uns, nackt und warm, und die Kniffe sollen unser blutiges Lied singen,

ich zerre an deinem Haar, du drückst deine Augen in meine Seele und die Wut soll unser verfluchtes Lied singen;

wir winden uns wie die Schlange und kriechen wie das Ideal — und die Tragik soll unser verzweifeltes Lied singen.

unsere Liebe überwuchert uns — peitscht uns mit Entsetzen und der Schmerz soll unser grauenhaftes Lied singen.

der Wald ist unser Tempel und das Gras unser Bett — das Chaos ist unsere Gottheit, und die Seelen unser Opfer.

 

Aus dem Chaos windet sich das Kind hervor, unser Kind — o meine ungesetzliche Frau und meine ungesetzliche Geliebte;

und sein Name wird lauten: ungesetzliches Kind;

und es trottet durch die Welt, hungrig wie unsere Leidenschaft, Verflucht wie unser Lied

und blutig wie unsere Liebe;

und der Fluch bricht über ihm nieder und keinen Platz wird es haben unter den Menschen;

verfluchen wird es Vater und Mutter und deren Liebe, von den Menschen erhebt sich sein Fluch zu Gott;

Trauer und Entsetzen, wo immer sein Fuß hintritt und keinen Krümel Brot wird es sein eigen nennen;

jagen wird man es, in Ketten legen und Verbrechen wird seine Nahrung sein.

 

Tot ist die Welt, o meine Geliebte, und schwarz ist es in ihrer Langeweile;

tot ist das Volk, o meine Geliebte, und schläfrig ist sein Gesang;

verrückt ist das Schweigen, o meine Geliebte, und Schweigen ist ihre Sprache;

sieh, müde sind sie und das Gähnen ist die Musik ihrer Tage;

ihre Seelen sind leer wie das Lachen der Huren, ihr Lachen leblos wie das Wort des Gesetzes;

ihre Gesetze sind wie ihr Gott — o, herzlos ist ihre Gottheit;

eintönig ist ihr Opfer, wie der Rauch von Zigarren, und ihr Geruch, wie der Geruch des Kadavers;

keine Sterne leuchten an ihrem Himmel und anders sind die Wolken;

ihre Sonne ist fahl wie die Kerze am Leichenbett und Mauern sind ihr Wald;

wüst ist es, schwarz, o meine Geliebte, und Tage sind wie ihre Gedanken;

keine Unruhe in ihren Augen und ihre Augen sind wie die Augen der Säue;

kein Aufruhr in ihrer Bewegung und ihre Bewegung ist wie die Bewegung des Ochsen;

blutlos sind ihre Körper und leer ist ihre Seele, wie Gott.

 

Dorthin werfen wir unser Kind, meine schwarze Geliebte;

dort trotten seine Füße und dort blitzt sein Fluch;

dort zittert die Flamme seiner Seele; der Umsturz in seinem Gedanken, der Aufruhr in seiner Bewegung und der Ärger in seinem Atem;

er wird es sein, der die Eingeschlafenen weckt und die Toten auferstehen lässt;

und Ketten werden seine Verlobte sein.

 

Unser ungesetzliches Kind, o du seine ungesetzliche Mutter —

namenlos wie das Verbrechen und einsam wie der Hunger!

Jubeln wird die Stimme unserer Küsse und die Fülle unseres Blutes:

O Namenloser, du bist unser Kind!

Und unser Jubel ist der Jubel von Dreistigkeit und Verzückung, riesig wie die Ewigkeit,

leidenschaftlich wie das Kneifen und verlockend wie die Frau im Dunkel des Waldes.

 

Gehen wir, meine Zigeunerin, meine schwarze Geliebte;

wir lieben uns im Chaos, aus dem Chaos wächst das Kind;

das Kind unseres Blutes, das Kind unserer Seelen, das Kind unseres Lebens.

 

Gehen wir, meine Zigeunerin, meine nackte Liebe;

wir bringen unser Kind zur Welt, das namenlose Kind;

und wir geben ihm einen Namen, den Schönsten unter den Schönen;

Umsturz wird sein Name sein, o unsere ungesetzliche Liebe!

 

 

IM DELIRIUM

 

I

Tick tack, tick tack, das Uhrwerk kracht.

Ach, Februar, der Tränen Flut,

Erloschen ist des Atems Glut,

Nun ächzen Spötter, Schmerz und Nacht.

Im Reif der Strahlen letzte Pracht.

Die Welt ist öde, dumm und alt,

Das Herz ein Beutel, leergezahlt,

Tick tack, tick tack, in Schmerz und Nacht.

Im Schweigen einsam Uhrwerk spricht.

Im Dunkel einsam brennt das Licht.

Im Februar — tick tack — o weh,

Im Herzen, leerem Portmonee,

Fand Schmerz nur ich und finstre Nacht.

Im Karneval — das Uhrwerk kracht.

 

II

A! O! I! U! - U! I! O! A!

Im Karneval, im Karneval,

Ward Schmerz zu Scherz, mit einem Mal,

Zu Tränen Atem, Trän’ zu Staub

Zur Angst, die mir das Leben raubt,

Als auf den Tisch mit lautem Knall,

Schlug ich in wüstem Bacchanal.

Tick tack, tick tack. U! I! O! A!

O, monoton das Uhrwerk spricht.

O, dunkel brennt der Lampe Licht.

O, Herz, mein Herz voll Leid und Klagen,

Im Karneval bliebst du begraben.

A! O! U! I! — Das Uhrwerk kracht.

Es ächzten Spötter, Schmerz und Nacht.

 

III

Bim bam, bim bam, bim bam, bim bam.

Der Tränen Flut? Ha-ha, hu-hu -

Die Angst schnürt mir die Kehle zu:

Zur Uhr im Sterbeglockenklang

Ertönt der Puls, die Himmelsflut

Ist voll des Lebens übler Brut,

Wie unsre Seelen, schläfrig, bang

Wie unser Echo, bam, bim bam —

Drum weinen wir unser Martyrium

Gefühle, Leben, das Delirium.

Ein Grab im Herzen wird gemacht

Für unsre Herzen? Nacht um Nacht

Erhallt der Uhren düstrer Klang

Tick tack, tick tack, bim bam, bim bam —

 

IV

I! U! O! A! — A! O! U! I!

In Mäuse nun verwandelt sich

die Phantasie, mit einem Stich

ins Hirn im Rhythmus, Vers und Reim,

als letzte Vision allein

Delirium Tremens noch regiert,

Ekstatisch meine Seele schürt,

I! U! O! A! — A! O! U! I!

Oh, amen Tremens, Tremens amen,

Blau lodern aus der Kehle Flammen

Und jedes Herz ein Scheiterhaufen,

Bis unsre Herzen, angstdurchlaufen,

Trifft der Schlag, schlag ein, mehr Wein,

lass sein, hau rein, mehr Wein... allein!!!

 

Zagreb, 2. II. 1910

 

 

POST SCRIPTUM

 

Ich sang nicht den Mädchenaugen,

dem Jüngling, der für sie verglüht,

ich bin kein Dichter der Liebe,

die ringsum duftet und blüht.

 

Ich sang nicht des Volkes Vergangenheit,

nicht Könige will ich erwecken:

Ich bin doch kein biblischer Hund,

dem Hiob die Wunden zu lecken.

Ich sang nicht das kindische Glück,

den Zeugungsdrang der Philister:

ich bin nicht der Weihrauch der Durchlauchten,

der Gottheiten und der Minister.

 

Ich sang keine Tränen des Mitleids,

für Noahs trunkene Laune;

des Stumpfsinns und christlicher Helden

bin ich nicht die Posaune.

 

Ich sang nicht die Wehmut der Skrofel,

durch bürokratische Gage:

ich bin nicht der Kämpfer der Elenden,

vom Fenster der ersten Etage.

 

Traf überall — wie auf Unrat -

aufs Antlitz ehrenvoll dumm...

Wenn Dummheit des Menschen Scham befleckt,

verprügeln könnt ich sie drum...

 

Stattdessen, zum Schlage ausgeholt,

traf wütend ich daneben:

Ins Glas! Nun blutet meine Faust,

die Splitter am Fleische kleben.

 

Der Fluch, verächtlich und widerlich,

schreibt meine Gedichte seither:

Ich bin der Dichter der Fluchenden,

vorläufig — nicht viel mehr!

 

 

TIEF UNTEN

 

Wir sanken tief, ins Schwärzeste verkrochen,

Wohin die Sonne niemals Strahlen sendet,

Als hätte man ein Sandkorn aufgebrochen,

Und Denken jäh ins Fruchtlose sich wendet.

 

Ein Mantel Nacht kam um mein Haupt gekrochen,

Verstandes Trieb noch regt sich und verendet,

Vor Tollwut ins entsetzte Schwarz gestochen;

Vampire zittern knirschend und geblendet.

 

Je reißender, der Mantel drückt uns fester,

Je fester, Triebe zittern umso stärker:

Je stärker — in der Täuschung finstre Nester:

 

Ein rascher Tod hilft nicht aus diesem Kerker.

Nur langes Irr’n, den Abgrund uns zu zeigen:

Wo Worte flackern — widerhallt nur Schweigen.

 

Aus dem Kroatischen: Boris Perić

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Rezensionen

Miroslav Krležas Werk im lichte der Französischen Kritik

Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...

Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.

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