Prosa
IRENA LUKŠIĆ wurde 1953 in Duga Resa geboren. Ihren Diplom-Abschluss erhielt sie an der Philosophischen Fakultät in Zagreb, wo sie auch promovierte. Sie verfasst Prosa, Bühnenstücke, Essays, Erzählungen, Fernseh- und Hörspiele, Drehbücher, Fachabhandlungen und wissenschaftliche Arbeiten und übersetzt aus dem Russischen. Ihre Prosa wurde ins Englische, Mazedonische, Deutsche, Slowenische und Türkische übersetzt und in zahlreiche Anthologien aufgenommen. Sie ist Redakteurin der Bibliotheken Književna smotra ("Literaturschau") und Na tragu klasika ("Auf den Spuren der Klassiker") und Redaktionsmitglied bei mehreren kroatischen und ausländischen Zeitschriften . Über dreihundert Arbeiten über russische und kroatische Literatur hat sie in Publikationen im In- und Ausland veröffentlicht sowie Werke zahlreicher russischer Autoren ins Kroatische übersetzt. Für ihre Tätigkeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie die Goldene Plakette des Kulturvereines Matica hrvatska und den J.J. Strossmayer-Preis für ihre Aufarbeitung des Tagebuchs von Dragojla Jarnević Dnevnik Dragojle Jarnević, 2001; den Kiklop-Preis für die beste Bibliothek Na tragu klasika in den Jahren 2007, 2008 und 2009; den KulturKontakte-Preis für ihre gesamte schriftstellerische, übersetzerische und redaktionelle Tätigkeit 2009; den Jahrespreis der kroatischen Vereinigung der Literaturübersetzer für die beste Übersetzung eines literarischen Werkes, 2009; den Iso-Velikanović-Preis für die beste Übersetzung 2011; den Kiklop-Preis: Redakteurln des Jahres 2011 und 2012 sowie den Kiklop -Preis für Gradovi, sela, dvorci ("Stadt, Land, Schloss") als bestes Essay-Werk 2013.
IRENA LUKŠIĆ
Cohen ...verzweifelt gesucht
1.
Ich war sowohl Jasna wie auch Krešo häufig begegnet, und darin lag eigentlich nichts Ungewöhnliches. Jasna war meine beste Freundin aus Studientagen, und Krešo war - wie man das nennt - die große Liebe. Diese Begegnungen waren, wie gesagt, keineswegs sonderbar, obwohl Jasna und ich uns seinerzeit ernsthaft zerstritten hatten, ich glaube, wegen irgendeiner Geldsache, doch nichtsdestotrotz begrüßten wir uns herzlich, wenn wir uns zufällig auf der Straße begegneten und tauschten dann beim Kaffee Freundlichkeiten aus. Über Krešo kam ich indes nie hinweg, die Erinnerung an ihn verblasste nie, und ich tröstete mich beharrlich damit, dass er diese verrückte Vanda verlassen würde und wir die Geschichte fortsetzen würden, die in einem September irgendwann in den zoern begonnen hatte. Krešo kam allerdings nicht zu mir zurück, sondern heiratete nach der Trennung von Vanda, die ihn bald schon hatte fallen lassen, eine Mathematiklehrerin und zog nach Zadar. Es war ihm wohl peinlich gewesen gegenüber seinen Freunden, die große Stücke auf ihn hielten, also kehrte er seiner Heimatstadt den Rücken. Übrigens hatte ausgerechnet Jasna meine Aufmerksamkeit auf Krešo gelenkt, sie meinte, er wäre eine gute Partie, jawohl, und zwar an einem Nachmittag , als wir vom Baden kamen und unterwegs in eine Konditorei gingen. Wir Waren wie benommen von der Sonne und müde vom ... aber gut, es ist jetzt einerlei, auf welche Art sich bald darauf unsere Lebensgeschichten miteinander verwoben. Jeder ging seiner Wege. Jedoch begab es sich, dass wir uns alle drei Ende August 2008 überraschend begegneten, und das ausgerechnet auf dem Stadtfriedhof von Karlovac! Es war ein warmer Vormittag, die Luft leicht drückend und stickig, und ich steckte gerade Blumen in die Steinvase auf unserem Familiengrab, als weiter unten, an dem schmalen Zugangsweg, eine Frau mittleren Alters auftauchte, mit einem prächtigen Gesteck auf dem Arm. Sofort erkannte ich diesen Gang, diese trägen Bewegungen ,die wahrscheinlich mit einem Keuchen einhergingen und ich stellte mir vor, wie sie vielleicht wütend vor sich hin schimpfte wegen der tückischen Steigung, die mit jedem Jahr immer steiler zu werden schien, so dass sie es eines Tages wohl nicht mehr hinaufschaffen würde. Ich wusste nicht, ob sie tatsächlich krank war, denn nach jenem Zerwürfnis sprachen wir nicht mehr über allzu viele persönliche Dinge, doch war es gut möglich, dass sie wegen irgendwelcher Beschwerden schon vorzeitig in Rente gehen musste. Ehrlich gesagt wollte ich ihr im ersten Moment ausweichen: Ich beugte den Kopf tief hinunter, indem ich vorgab, eine Kerze anzuzünden, und versteckte mich hinter dem ziemlich großen Grabstein , in den die Namen meiner Eltern eingemeißelt waren. Etwas sagte mir, dass unser Zusammentreffen in ein sinnloses Wortgefecht ausarten würde, beziehungsweise dass sie mich mit einem Schwall Kritik überschütten könnte, so wie damals, zu Friedenszeiten, vor unserem Streit. Ja, ja , pflegte sie mir zu sagen, ständig sprichst du davon, wie du dieses und jenes tun würdest, dass du reich und berühmt werden würdest, aber wenn du einen konkreten Schritt machen sollst - dann machst du einen feigen Rückzieher: Du könntest nicht aus diesem Grund, du könntest nicht aus jenem Grund, es sei dieses und jenes passiert und so weiter. Anscheinend kannst du nur groß daherreden, mit den Taten hapert's dann... Ich spürte, wie von ihrer Stimme, die ich auf einmal in lebhafter Erinnerung hatte, meine Hände zu schwitzen begannen, wie sich die Lebens- und die Schicksalslinien mit einer siedend heißen Flüssigkeit aus Leid und Machtlosigkeit füllten, und was am schlimmsten war, ich bemerkte, wie ich begann, ihre Gedanken als die meinen zu wiederholen , als eine schmerzhafte Wahrheit. Ja, richtig, ich hielt viele, viele hohle Reden, hatte viele Sprüche, die ich nicht so meinte und die ich nicht hätte sagen sollen. Oder die, besser ausgedrückt, hätten bedachter gewählt werden sollen. Deshalb zog ich mich unauffällig noch tiefer in mein Versteck zurück, in den engen Durchgang zwischen den zwei grauen Grabmälern, dem meiner Familie und dem angrenzenden, das der Familie eines angesehenen lokalen Politikers gehörte. Dort beruhigte ich mich ein wenig und brachte meinen Atem unter Kontrolle. Mir kam sogar in den Sinn, dass Jasna von der Bildfläche verschwinden würde, wenn ich bis zwanzig zählte, dass sie also während der zwanzig Sekunden in die linke Abzweigung, die zum neuen Teil des Friedhofs führte, einbiegen und zwischen den Zypressen verschwinden würde. Doch zählte ich nicht, sondern richtete, aus welchem Grund auch immer, meinen Blick auf den Eingang: Dort stand ein Mann, der Krešo, jenem unvergesslichen Krešo,unfassbar ähnlich sah! Krešo, dessen Erinnerung nicht verblassen wollte ... die gleiche wohlproportionierte Figur, das dichte, aschblonde Haar, die Brille mit Metallfassung, das ebenmäßige Gesicht... Nein! - dachte ich. - Das war nicht möglich! Er hatte hier doch gar niemanden! Seine Eltern waren, ich wusste, dass er mir das einmal erzählt hatte, in Osijek begraben, und auch diese Mathematiklehrerin, mit der er sich nach Zadar davongemacht hatte, hatte in dieser Gegend keinerlei Verwandtschaft. Nein, das war nicht Krešo! Das war jemand, der ihm sehr ähnlich sah ... Nach einigen Augenblicken kam ich vorsichtig aus meinem steinernen Versteck hervor und warf einen Blick auf den unheilvollen Zugang und den schmalen Parkplatz: Auf dem dunklen Asphalt standen zwei Autos. Der Mann, der mich so sehr an Krešo erinnert hatte, bewegte sich in Richtung des kleineren Autos, das staubig war und ein Kennzeichen von Zadar trug. Dort blieb er stehen, zog klimpernd einen Schlüsselbund aus der Tasche seiner grauen, zerknitterten Hose, öffnete gemächlich di Hintertür und stellte irgend so ein Gartenwerkzeug , kleine Rechen und eine Hacke, auf den Boden. Sodann setzte er sich behäbig ans Steuer, putzte seine Brille mit dem Zipfel seines bunten Hemdes und ließ den Motor an. Er wirkte niedergeschlagen, irgendwie gebrochen, und mit ein wenig Fantasie konnte man sich vorstellen, wie er bittere Tränen hinunterschluckte... Ein völlig unwirklicher Anblick! Eine Halluzination! Und dann, dann tauchte zwischen den Gräbern plötzlich jasna auf, die Frau mittleren Alters mit dem prächtigem Gesteck, und überschüttete mich sofort mit jenen Worten, die ich auf keinen Fall hören wollte:
- Schau dir an, was aus dir geworden ist! - sagte sie. - Seit dreißig jahren versuchst du, dein Leben zu regeln, und wo hist du gelandet? Am Friedhof! An der Linie, wo es kein Weiterkommen mehr gibt! Wie ist es bloß möglich, dass du so viele Bücher über den Sinn des Lebens geschrieben hast, du aber deinen Sinn so gar nicht finden kannst?!
Ich versuchte sie zum Schweigen zu bringen, aber ihre Stimme war lauter.
-Nein, du brauchst gar nichts zu sagen!-unterbrach sie mich und erhob dabei sogar leicht drohend den Zeigefinger. - Eine Freundin meiner Tochter Karla hat mir erzählt, dass du vor einem Monat in ihrer Sendung "Die neue Zeit" zu Gast warst und dort alle beeindruckt hast... Du hättest über sexy Comics und Rockmusik gesprochen und die alten Herrschaften von der Akademie ganz schön sprachlos gemacht. Sie sagte auch, dass es ein Telefonvoting gab und du die meisten Stimmen bekommen hättest ...
- Und? Was ist daran fragwürdig?
- Alles! Alles ist fragwürdig! Ich könnte glauben, dass du am Ende ernsthaft denkst, du hättest all das erreicht, was du ständig angekündigt hast ...
- Wirklich? - Ich schaute sie verwundert an.
- Ja, wirklich. Dauernd hast du erzählt, du würdest eine Rockband gründen, eine spektakulare Show aufführen, du würdest dieses und jenes machen, und dann gerät alles ins Stocken, weil du irgendjemanden nicht finden kannst. Und diese geheimnisvolle Person sei der Grund für deine Tatenlosigkeit. Ich weiß nicht einmal, wen du überhaupt gesucht hast. Gibt es denjenigen überhaupt?
- Wen?
- Den, den du suchst.
Ich sagte, class ich suchte. Dass ich immer jemanden suchte. Wenn dieser jemand aus der Vergangenheit stammt, dann würde ich sagen, ist es Emil, den ich am meisten suche.
- Da siehst du's! - seufzte Jasna. - Daran ist alles gescheitert. Emil war der, der mit uns die Vorlesung über Literaturtheorie besucht hat. In der Zeitung stand, er hat in der Band von Leonard Cohen gespielt. Finde diesen Emil und du bleibst für mich auf ewig eine Heldin. Ich sage dir, finde Emil. Nur das eine. Finde Emil.
- Aber wo? - presste ich mit kaum horbarer Stimme hervor. (...)
2.
(...) Als sich der Bus fast geleert hatte, stand ich auf und ging langsam dem kleinen Schnauzbartträger mit den dicken Brillengläsern nach. Da läutete mein Handy und ich blickteauf das Display: Barbara. Barbara? Ja, genau, Barbara!
- Was gibt's, Barbie? - flüsterte ich, damit mich die Brillenschlange nicht horen könnte.
- Rette mich! Bitte rette mich! Sonst bringe ich mich um!
- Barbara, was ist denn passiert?
- Dieser Idiot ... dieser Vollidiot, du weißt schon, wen ich meine, ich brauche dir nichts zu erklären, dieser Idiot hat mich reingelegt und den versprochenen Text nicht geschickt. Los, schreib mir was, bitte, ich bitte dich, ganz egal was, einfach irgendwas, von mir aus zum Gedenktag eines bekannten Schriftstellers, die Ausgabe muss mit ein, zwei Kulturbeiträgen herauskommen ...
Während ich der aufgeregten Stimmeam Telefon lauschte, hörte ich erneut ein leises Schluchzen. Ich dachte an die Russin und schaute mich suchend nach meiner Gruppe um. Aus der Ferne erhob sich ein dumpfer Lärm.
- Pass auf, Barbara, ich bin gerade in Kanada und ...
- Auf dem Kanapee?
- Nein, in Ka-na-da...
- Ja, fantastisch!-prustete sie los, meine gute Bekannte, die stellvertretende Chefredakteurin einer bekannten Frauenzeitschrift.
- Schreib doch was über Kanada, über den Ort, wo du dich gerade aufhältst ... Super! Schreib was über Toronto, über Ottawa... Wo hist du denn?
- Also hier... Ich blieb am Rand des Parkplatzes stehen und versuchte eine Aufschrift zu finden, die auf den Orts namen hinwies. Doch überall waren nur Leuchtreklamen zu sehen. Sony, General Motors, American Express, Air Canada, Affordable Website Promotion, Sheraton. Lächelnde Mädchen, kräftige Männer, wohlgenährte Haustiere, fröhlich spielende Kinderchen. In den kleinen Lücken zwischen denbekannten, weltübergreifenden Slogans auf den Werbetafeln standen Getränkestände und fein säuberlich geparkte Fahrzeuge.
- Hor zu, dann schick mir zwei, drei Seiten per Mail die Bilder nehme ich aus unserem Archiv - meinte Barbara.
- Und was willst du haben? Irgendwas?
- Na ja, nicht gerade irgendwas. - Langsam legte sich die Anspannung in Barbaras Stimme. - Es sollte schon etwas sein, was mit Kultur zu tun hat.
Ich überlegte: Eigentlich hatte bisher gar nichts mit Kultur zu tun gehabt. Oder doch? Mir fiel ein, dass in einer lokalen Zeitung allerhand darüber zu lesen war, wie Madonna irgendwo in Dänemark oder Brasilien das Gleichgewicht verloren hatte und auf der Bühne gestürzt war, aber das Konzert fortsetzte, als wäre nichts passiert. Und mir waren auch einige Zeilen über den Ehestreit der Beckhams, zwischen dem Fußballer David und der Sängerin Victoria, untergekommen.
-Komm schon, ich bitte dich, schreib mir etwas bis zum Abend. Bei uns ist es jetzt vier Uhr morgens, du hast also noch genügend Zeit...
Wir wechselten noch einige überfliissige Sätze, bevor ich die Anlegestelle erreichte. Dort herrschte kein Trubel mehr.
Die Leute aus meinem Bus waren gerade an Bord des kleinen Schiffes für die Überfahrt gegangen, und der Bursche, der die Gruppe übernommen hatte, winkte mit einer bunten Fahne. Kevin, dachte ich. Der Freund von Oksana Timoschenko aus Montreal. Während ich ihm zuschaute, wie er die Touristen geschickt über das schmale Deck verteilte, kam mir in den Sinn, dass ich ein Interview mit Agnes Champaign machen könnte, der leitenden Managerin des Verlags McClelland and Stewart, bei dem Leonard Cohen exklusiv unter Vertrag stand. Diese Frau war also gewissermaßen auch Cohens Managerin. Ich würde Agnes an den Niagarfällen abpassen und Barbara würde begeistert sein! Be-geis-tert! Der legendäre Leonard Cohen an den Niagarfällen - das wäre keine Lappalie! Und damit wäre auch das Ziel meiner Reise gerechtfertigt. In jeder Hinsicht, wirklich jeder!
Ich ging in den leeren Bus zurück und nickte ein. Das Quatschen mit Barbara hatte mich anscheinend ein wenig aufgeregt, wohl auch wegen der hohen Handyrechnung, die ich in einem Monat erhalten würde. Aber ich wollte nach vorn schauen und meine Gedanken auf andere Dinge richten. Auf Leonard Cohen. In meinen Träumen tauchte Agnes auf, obwohl ich sie nie zuvor gesehen hatte. Ganz in Weiß gekleidet, leicht und flatternd wie ein kleiner Vogel. Sie hatte helles Haar und blaue, fast durchscheinende Augen. Aus dem Hintergrund drang eine raue Stimme mit den berühmten Versen:
Suzanne takes you down to her place near the river
You can hear the boats go by
You can spend the night beside her...
Wahrscheinlich hatte ihr der Dichter höchstpersönlich gesagt, dass ich gekommen war und ein Exklusivinterview wünschte. Agnes klatschte sofort fröhlich in die Hände und flötete: ,,Ein Interview? Wie aufregend! Alle werden überglücklich sein, wirklich iiberglücklich!" Und mit einer Handbewegung gab sie mir zu verstehen: na los! Doch ich konnte mich nicht an die erste Frage erinnern. Seit wann sind Sie in diesem Beruf tätig? ... Nein! ... Woran arbeiten Sie gerade? ...Nein! Wo sind Sie eigentlich? Wo befinden Sie sich gerade? Haben Sie auch Alice Munro, Margaret Atwood und Michael Ondaatje unter Vertrag? Nach einigen Augenblicken lachte Agnes auf: "Los! Lass uns auf die Turmspitze hinaufgehen!" Auf die Turmspitze? Welcher Turm? Agnes murmelte einige Konsonanten: "Trvpzsklmrf." Trvpzsklmrf? - wiederholte ich. "Genau! Trvpzsklmrf." Ich versuchte aufzustehen, doch es gelang mir nicht. Ich klebte am Untergrund fest. Oder war selbst im Untergrund aufgegangen. Schließlich ergab ich mich: "Ich komme nicht mit."
- Sie fahren nicht nach Toronto? - fragte eine krächzende Stimme irgendwo aus der Nähe. - Sie fahren nicht nach Toronto? Es war meine russische Sitznachbarin. Und zutiefst erstaunt.
-Aber das ist die Gelegenheit, den berühmten Turm zu sehen ... den CN Tower, eins der architektonischen Wunder der modernen Welt...
Leider hatte ich keine Kraft, das Gespräch fortzuführen: Ichsank in einen noch tieferen Schlaf, in eine Dunkelheit, wo nichts zu sehen und zu hören war. Ich spürte die Nähe von Trvpzsklmrf, konnte mir aber nicht erklären, was das heißen sollte. Vielleicht DCR-TRV-Kamera oder Trabzon. Temporary Resident Visa,Trujillo, Teran, Torrent, Tor, Tor, Tor ... Toronto!
Ich erwachte, als die Reisenden allmählich begannen, wieder ihre Plätze einzunehmen. Der Bus stand in Toronto. Meine russische Nachbarin war unter den letzten Einsteigenden und augenblicklich erzählte sie mir voller Begeisterung, dass sie mit dem Elevator zur Turmspitze hochgefahren waren und man von dart oben die Umgebung wie aus einem Flugzeug betrachten konne.
- Ein fantastisches Gefühl! - sagte sie. - Es kommt einem vor, als hatte man die ganze Welt unter Kontrolle. Was ich sagen will: Alles ist kleiner als man selbst!
Danach habe sie noch denberühmten Boden aus durchsichtigem Glas betreten und in die Tiefe geblickt. Sagar schwindlig sei ihr dabei geworden, vor Angst, das durchsichtige Material könnte durchbrechen und sie auf den Köpfen der unschuldigen Touristen am Eingang abladen.
- Das kommt daher, dass wir an einen dunklen Untergrund gewöhnt sind, an die Erde... und das da ist schrecklich! Man weiß nicht, ob man fliegt oder steht!
Als sie dann die Treppen hinuntergestiegen sei, endlos lange und monoton, sei sie in einer Etage stehen geblieben und habe gesehen, wie sich die Menschen um eine ungewöhnliche Festtafel voller Speisen aus Kunststoff gedrängt hätten. Da habe sie den Wunsch verspürt, dort genauso wie die anderen ein Foto machen zu lassen, von sich allein oder gemeinsam mit dem Model im dunklen Anzug. Sie habe sich für eine Pose ohne andere Personen entschieden, bei der nur sie an dem reich gedeckten Tisch zu sehen war, damit der unbekannte Mann nicht auf falsche Gedanken käme, sie hätte ja bereits einen Mann, nicht wahr, so wirke es, als ob sie in einem feinen Restaurant säße und auf wichtige Gesellschaft, etwa auf Geschäftsleute, wartete. Sie könnte ja wenigstens, beendete sie ihre Erzählung, das Bild nach Russland schicken, damit die Leute dort sähen, wie gut es ihr hier in Kanada ginge. (...)
Aus dem Kroatischen von Silvia Stecher