Vesna Parun (1922. - 2010.) war eine der angesehensten kroatischen Schriftstellerinnen. Bekannt wurde sie durch ihre Gedichte.
In ihrer Lyrik spielt das Kindergedicht eine große Rolle. Zu ihren Werken zählen u. a. der 1955 veröffentlichte Gedichtband Schwarze Olive und der 1959 veröffentlichte Band Die Koralle kehrt zum Meer zurück. 1995 wurde sie für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen.
Vesna Parun widmete sich vollkommen der Literatur und war so die erste Schriftstellerin in der kroatischen Literatur, die ausschließlich von Literatur und für die Literatur lebte. Sie gehörte zu den bekanntesten zeitgenössischen Dichtern in Kroatien.
Unsere Kindheit ist an allem Schuld
Einsam sind wir aufgewachsen, einsam wie Pflanzen.
Nun sind wir Forscher, auf Entdeckungsreise
In der verwilderten Landschaft Phantasie,
nicht geübt im Gehorsam gegen das Böse.
Aufgeschossen sind wir entlang der Chausseen,
mit uns gemeinsam wuchs die Angst
vor wilden Hufen, die uns niedertrampeln,
vor Grenzsteinen, die unsere Jugend spalten.
Keiner von uns hat zwei heile Hände,
zwei Augen, unversehrt. Und ein Herz,
darin nicht die Klage hauste.
Die Welt kam herein mit grellen Tönen,
schlug Wunden in unsere Stirn
mit dem Geklirr ihrer tödlichen Wahrheit,
mit dem Lärm verspäteter Sterne.
Wir werden alt. Und Märchen gehen uns
wie Herden, die zum fernen Feuer drängen.
Auch unsere Lieder sind wie wir:
Voll dunklen Sinns und traurig.
(R. S. Baur)
Das Haus auf der Straße
Ich lag im Staub an der Straße.
Ich sah nicht sein Gesicht.
Er sah nicht das meine.
Die Sterne stiegen herab, die Luft war blau.
Ich sah nicht seine Hände.
Er sah nicht die meinen.
Der Osten wurde grün, eine Zitrone.
Ein Vogel schrie, ich öffnete die Augen.
Da sah ich, wen ich geliebt
mein ganzes Leben lang.
Da sah er, wem die armen
Händen er gestreichelt.
Und der Mann nahm sein Bündel und weinend
Machte er sich auf den Weg in sein Haus.
Sein Haus ist der Staub auf den Straßen,
das ist auch mein Haus.
(H. Pataki)
Die Zeugen
Diese Welt begriff noch nicht.
das große Geheimnis Kindheit.
Warum ruft ihr Kinder vor dieses Gericht,
wo der Mensch den Menschen richtet,
der Heimatlose den Heimatlosen;
wozu ruft ich Zeugen auf?
Es soll keine Blume mehr
Blumen gebären
es soll kein Märchen mehr
Märchen gebären.
Nicht Blume noch Märchen verstanden wir
und achten nicht die schuldlosen Bäume.
Wozu zeugen wir
Zeugen?
(H. Pataki)
Epitaph
I
Weder die schweren Mühlsteine der Hoffnung noch das Rauschen des Meeres
Die geballte Unruhe des Lebens, die sanften Augen der Liebe
Schmerzbereit
Sie ließen uns nicht
Sondern uns verzehrt
Die Vergänglichkeit, der leere Fluss
Der aus unserem Herz
Namenlos hervorströmt
II
Könnte uns doch das hohe Gras sagen
Ob der Schuss, recht hatte
Der uns aus dem Sattel warf; könnte uns
Das hohe Gras doch sagen
Wer uns niederwarf
Und warum wir nun lachend daliegen
III
Wir haben dich geliebt, du hohes Gras,
Sag ihnen das
Hohes rauschendes Gras wir haben dich geliebt
(R. S. Baur)
Der Bruder
Nacht ist in meinem Leib, Nacht ist in den Wolken
Trauer in meiner Kehle, leiser denn Mondschein.
Wind tröstet mich traumbefangen, reicht zerstreut mir die Hand,
Meiner Trauer jedoch gibt es kein Vergessen.
Durch Stein blicken meine Augen, sie folgen den Stimmen von Knaben,
von Knaben, die irgendwo ihre Herzen verströmen.
Ein verlorener Quell, wer wird ein Lied ihm reichen,
Wer haucht dem Falter, dem toten, neues Leben ein?
Klar bist du vorhergewandelt, liebtest die Milch und das Leben.
Jetzt bist du nicht mehr. Keiner weiß wo. Blut ist namenlos.
Keiner weiß wo. Rot nur leuchtet das Blut, blind, ach, und ohne Namen,
Blut der Hirschkuh im Wald – eins mit dem Blut meines Bruders.
Eins ist jetzt alles und nah, denn die Erde ist Mutter.
Freude gibt sie und Leid – ein Leid nur und nur eine Freund.
Sie kennt keinen Hass: gab uns Leben gleich einem schönen Wunder.
Warmes Blut, das liebt, sanftes Blut, das klagt.
Wie sollte ich den Bruder vergessen, die Hirschkuh, o schwarze Erde,
Du meine schwarze Erde, du meine zerrissenes Land?
(I. Jun-Broda)
Gong
Augenblicke meines Lebens – Kugeln des Rosenkranzes
In der löcherigen Dämmerung sich kreuzender Schatten –
Kann ich jemals den Durst stillen
Nach dem Licht, das ihr verlasst
Eine Vogelscheuche, eine Zeitenscheuche
Hebt und senkt nur die Brauen
Wenn wir alle Uhren verschlucken
Werden wir dann unsterblich werden
Juweliere, könnt ihr
Ein lebendiges menschliches Herz anfertigen
Das um Hilfe schreit
(R. S. Baur)
Lied an die Republik
Rost zerfrisst die Jahrhunderte. Doch die Völker wachsen und gehen.
es fließen die Jahre dahin – Galeeren voll Sklavenherden
und Richtstätten, aufgerichtet
mitten im Korn.
mehr Blut als Regen und Wassernot,
mehr Tote als Mondfinsternisse.
Baumstämme wachsen, vermehren sich...
Es zittert der Mensch vor dem Blitz,
Balken behauend
Für die Hallen der Herrscher.
Bis zum Gürtel im Teer, bis zum Hals in Nesseln,
breitschultrig das Volk in rauchgeschwärzten Opanken,
Schäfer, dem Wolf verbrüdert,
seinen Namen hat er vom Schneesturm,
vom blutgefärbten,
und von Schellengeläute
und von der Erde, der zu fronen
so schwer.
Doch wie viele sind da, ihr zu fronen! Aj, du Lika!
Hungere nur, Volk ohne Zahl. Des Königs Papiere wachsen
Stell auf der Börse. Für dich jedoch Hacke und Spaten,
und wurmt’s dich, weit ist, Bruder, die Welt!
So geh doch in Gottes Namen,
die Pampas warten:
Amerika!
Wo ist die Börse hin, Spiel und Turnier der Ritter?
Träumt euch, ihr Herren? Alles ist heute
die Republik:
Korn und Viehzucht,
Alphabet und Stahlproduktion.
Und morgen schon siehst du: Traktorenstation,
Dampfmühle, Grundriss des Kraftwerks
anstelle des Traumbuchs.
Entrolle die schwere Landkarte, den Traum von der Tiefe,
der Erde gelbes Netz!
Miss ab: acht Finger breit dehnt sich Europas Südosten!
Reiß ab die Dynastie, lösch die ganze Rubrik,
ein neues Gerüst, ragt auf, nenn’s, wie du willst –
wir haben die Republik!
Die Schwester
Nacht ist in meine Leib, Nacht ist in den Wolken,
Trauer in meiner Kehle, leiser denn Mondenschein.
Wind tröstet mich traumbefangen, reicht zerstreut mit der Hand,
meiner Trauer jedoch liegt nicht daran zu vergessen.
Durch Stein blicken meine Augen, sie folgen den Stimmen von Knaben,
von Knaben, die irgendwo ihre Herzen verströmen.
Ein verlorener Quell, wer wird sein Lied betrauern,
wer haucht dem Falter, dem toten, neues Leben ein?
Klar bist du vorübergewandelt, liebtest die Milch und die Erde,
jetzt bist du nicht mehr, keiner weiß, wo: Blut ist namenlos.
Keiner weiß, wo. Rot nur leuchtet das Blut, blind ach – und ohne Namen.
Blut der Hirschkuh im Wald ist eins mit dem Blut meines Bruders.
Eins ist jetzt alles und nah, denn die Erde ist Mutter.
Freude gibt sie und Leid: ein Leid nur eine Freude.
Die Erde kennt keinen Hass, gab Leben uns gleich einem Wunder:
warmes Blut, welches liebt, sanftes Blut, welches weint.
Wie sollt ich den Bruder vergessen, die Hirschkuh, o schwarze Erde,
du meine schwarze Erde, du mein zerrissenes Land!
Dreizehn Kummer
Dreizehn Kummer trieben der Korana Wasser hinab,
dreizehn Sklavenzüge, dreizehn Schiffe, mit Ketten beladen voll.
Dreizehn Städte der Trauer, so vieler Sklavenheere Grab,
so viel bleiernes Dunkel, großer Heerführer Zoll.
Und dreimal hohe Gebirge, wunder Riesen Gestalten,
dreimal blutig Gewässer und Meer,
hundertfach Rabenscharen, hundertfach finstere Spalten,
dreizehn grüne Kummer und eine Sternenmär.
Eine Sternenmär-rostfarbenen Himmels ein Stück.
Zertreten die schwarze Nacht, die Kummer von gestern, von einst.
Für dich tanzt mein Herz, o Land, singt von dir voller Glück,
ob du schon Regenbogen oder ob du noch weinst.
Eisig war der Frost, bitter des Wermuts Blut,
um so süßer der Tau, schimmernder die Perlen gereiht...
Schlaf, gutes Land, in deiner Söhne Hut,
dein Morgenrot-taufeucht und sternbesät-wird still von ihnen bereut.
(Fragmente)
Purpurne Vision von Feuern und Festen,
im Heu die Grille.
Stille.
Sommer, fruchtschwangerer Regen.
Warme Kühe, Mondscheingarben.
Mädchen sticken in mattgoldnen Farben
Rosen für traurige Hochzeit.
Am Eliastag sucht Blitz die Ernte heim,
und Weihnachten
sind verödet die Höfe,
und weiße Schneestürme wehen.
Unhörbar brennt die dicke Kerze,
die Augen suchen:
Karpaten
dahinter
Russland.
Sie können nicht lesen, die Alten, Könnten sie’s,
läsen sie
nachdenklich:
es fiel einer,
rauben wollt er die Neretva,
das unruhige Wasser,
leise wie eines Tannenzapfens Rascheln.
Sagt den Mädchen aus den gelben Ebenen:
dies Land
ist ein grimmiges Land,
grimmig wird hier gestorben.
Eins ist das Blut vom Peipus bis Toledo.
Rote gestickte Rosen, Johannisfeuer.
Woher, o Land,
die Namen deines Gesteins
und deiner Gewässer, so klar,
dass sie den Himmel doppelt spiegeln?
Eins ist das Blut vom Peipus bis Toledo.
Die Korana fließt es hinab.
Stickt rote Rosen verbrannter Jugend
Auf Aschen, auf Herbstblätter,
Wolken.
Die Krähen scheuen vor dem Schatten der
Bomber,
der Mensch vergisst,
dass er Kind war.
Nur ein Herz, ein einziges, hat er,
und gibt es der Sonne.
Der Maiensonne, dass sie glühender strahle
und die Erde
Liebe werde.
O mein Volk, wie viele Klippen noch
bis zur Freiheit!
–––
Verkleidet
Als Echsen,
Schildkröten,
Krokodile,
Werwölfe,
in Rudeln
auf Schienen reitend,
motorisierten Besen,
auf Ziegenböcken
aus Gummis,
vermummter Mörder
Walpurgisnacht.
Den schimmernden Kopf im Mondschein bewegend
des Krieschtiers Heer,
gespenstisch Band.
Räderkreischend kichert zahnlose Klapperschlange,
Beelzebub:
Hordenrauch,
Kanonendonner,
dröhnende Gongs
des Dritten Reichs.
Baum
„Sei Baum!“ sagtest du.
Und ich war ein Baum.
„Sei scheu!“ sagtest du.
Und ich wagte kein Blatt zu bewegen.
„Sei treu!“ sagtest du.
Und ich wartete.
Dann hülltest du dich in Schweigen.
Der Baum steht aber immer noch da
Und wagt nicht ein Blatt zu bewegen.
Altertümliches Lied
Fest schnallte ich den Gürtel, Mädchen mein,
schnallte fester den Gurt, kein Sonntag ist’s.
Sen schwarzen Rappen sattelte ich, Wiese mein,
den Rappen sattelte ich, Wiese du –
Blickt in den tiefen Brunnen, Trauer mein,
tief in den Brunnen blickt’ ich, weißt du’s noch?
Erhob sich ein kalt Windstoß, Äpfelchen mein,
kalter Windstoß, frühreifes Äpfelchen du.
Kräuselte das Wasser im Brunnen still.
Trübte mein Antlitz im Dämmergrau.
Schule für Landstreicher
3
Wer bin ich? Und wo? Zur Musik des Stubs
wird der Tag noch länger – und die Nacht noch tiefer.
Steppe schläft. Für ein Zweigelein regennassen Laubs
singt die Nachtigall ihr Liebeslied.
Wo bist du? Und wer? Dein Gesicht zeigt nackt,
Schatten eines Menschenschattens, halt! Bleib stehn!
Will dir regungslos ins Auge sehn,
ich, im Augenlid der Erde ein schneller Katarakt.
Mach mich, o Schritt, zu finsterem Kristall,
drin sich gleißend eine Welle bricht,
bin kein Wesen mehr, bin nur ein Strahl von Licht.
Meine Freiheit steht unmenschlich und allein
mitten im entweihten Tempelsaal
wie eine eben erst verlassene Gruft – leer und rein.
Drei Inseln
Drei Inseln mitten im Meer,
eine schroffer als die andere,
eine leidenschaftlicher als die andere von Zikaden besungen,
von Pinien umrauscht.
Die erste eine Schlange, zum Knäuel eingeringelt,
die zweite ein glänzendes Schwert, aus der Scheide gezogen,
die dritte ein offener Sarg, auf den Wellen schaukelnd.
Alle drei verwunschen. Alle drei gesegnet.
Alle voll tiefer Höhlen und Kiesel,
steiniger Landzungen.
Uralte Schatzkammern voller Erfahrung im müden Stein,
dessen Schicksal von niemandem noch enträtselt.
Alle drei bissen mit steinernen Zähnen in mein Herz!
Alle drei peitschten mich mit Salz,
mit grünem Rosmarin verletzten sie mich.
Die erste ist bekannt für grimmige Kämpfe
und rote Weinkufen.
Die zweite für sonnige Weglosigkeiten des Winters, auf denen
Delphine spielen.
Auf der dritten, mit weißem Marmor eingefassten,
weiden Wildschafe und fürchten den Tod.
Drei Inseln mitten im Meer.
Eine verwunschener als die andere,
eine leidenschaftlicher als die andere von Zikaden besungen,
von Pinien umrauscht.
(Hvar, 1971)
Telegram, 26. 11. 1971
Gedicht für einen alten Piratensegler
Alles was du besaßest, o Erde, gabst du mir,
die durchsichtige Luft und den standhaften Stein.
Die Winde und ihre grünen Mündungen.
Nicht umschlingen kann ich all deine Meere,
deine gläsernen Meridiane nicht zerschlagen,
auch die Korallengemächer, die Terrassen der Inselwelt nicht,
die Pelikan-Siedlungen, Ruder und Kiemen,
die stürmischen, tosenden Hochzeiten fröhlicher Wale.
Festland und Meer wurden in meinem Blut vollendet.
Bin ich ein Segler – wer nähte mir Segel?
Bin ich ein Drache – wer entwarf mir die Flügel?
Vor meiner Ankunft besaß ich nichts,
abfahrend bin ich schwer beladen.
Sieh, zehn Kamele tragen meine Morgen,
sieben alte Elefanten ziehen langsam
die Truhen meiner Monate, einen Berg
bleierner Geheimnisse, eine Liebe,
verankert im lebendigen Meeresboden
zwischen rostigen versunkenen Blitzen,
weißen Schwämmen und gierigen Seeigeln.
Am Seil des Mondscheins hängend
verabschiede ich mich von meinen Trugbildern.
Bin ich ein Segler – wer nähte mir Segel?
Ich entferne mich so reich, so erwacht.
Vielleicht kehre ich wieder, die Ufer zu betrachten,
die mit Meerschaum bedeckt,
mit Perlenmusik, mit der riesigen fahlen
Sonne, eingespannt in Salzgärten, in Laternen,
sich in den Herzen der Piraten,
im Weglosen der Erinnerungen befinden.
(1963)
Das Gesicht im Schatten
Ich vergaß seinen Namen, aber ich weiß, dass die Vögel ihn gern hatten;
und dass sein Lächeln reizend war, daran erinnern sich meine Augen.
Auch jetzt gehen die Menschen den Kai entlang; ich blicke mich nicht um,
vertieft in das Flüstern verhallender Stürme.
Vergaß nicht auch die Möwe ihren toten Kameraden, warum trauerst du?
Ihren Felsen vergaß die Möwe, Süden und Norden kennt sie nicht.
Den Vorhang zog ich noch nicht vors Fenster, noch hat das Meer sich nicht beruhigt.
Tadle, o Wald, mich nicht mit deinen Wipfeln; ängstige, o Wasser, mich nicht mit deiner Tiefe!
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Flügel der Leere
Ich stehe auf der Schwelle. Das Haus warf mich
aus seiner Erinnerung.
Die Zeit kann mich nicht
wieder annehmen.
Ein wenig werde ich noch nachdenken,
dann aber
wende ich mich um
und breche in Gelächter aus.
Ein Gelächter, aus dem die Flügel
aller Sterne erschaffen wurden
in der endlosen
Leere
des Alls.
(Bubnjevi umjesto srca – Trommeln statt Herzen, 2003)
Gedicht in Form eines Gebets
Guter Geist meines feurigen Lebens, erhöre mein Gedicht in Form eines Gebets, in Form eines Brunnens, der nie versiegt. Mein Gedicht, gerichtet an die Verachteten.
Den ins Gras Verliebten habe ich seit langem nichts mehr zu sagen, und den in den Vogelflug Verliebten kann ich nicht helfen ihren kindischen Traum zu vergessen.
Aber denen, auf die der Zorn des Himmels und der Erde hinabstürzte, blicke ich in die Augen, denn ihnen verdanke ich den morgigen Tag.
Wegen ihnen werde ich die Wabe des Lebens in Stückchen schneiden und jedem eine goldene Biene aus meiner Brust vermachen.
Guter Geist meines feurigen Lebens, verwahre meine bitteren Wünsche in einem urtümlichen Kästchen der Winde und stelle es an einen dunklen Kreuzweg, damit das Geheimnis eines jeden daraus erstrahle.
Sorge dafür, dass mich alle verlassen, die in mir eine Bestätigung für ihre süßen verlockenden Irrtümer suchen.
Gib, dass ich immer von neuem meine Ruhe verliere und finde, die für mich unentbehrlich und schwer und fremd ist.
Es war ein heißer, endloser Sommer.
Komm, Geliebter
Wer auf dem weiten Meer lenkt meine Sehnsüchte
und treibt meine Augen in die Wildnis?
Mich quält ein Lächeln, an das ich mich erinnere.
Mich quält eine Gestalt, nach der ich mich sehne.
Blickt in meine Erinnerungen, so werdet ihr sehen,
es ist nicht eine Gestalt.
Es ist nicht eine Leidenschaft.
Nicht nur ein einziger Ruf,
ein einziger Wirbelsturm,
ein einziges Gebet,
das mein ferner Jupiter hört
und lächelt.
Ferner Gott,
falls auch dein Haar dem Gras ähnelt
und deine Schenkel denen des Hirschen,
erlaube mir, ihre Wälder zu lieben,
ihre Stirnen und ihren Gang,
der uralt und einzig ist
auf diesem bebenden Stern.
Erlaube mir, deine Welt so zu lieben,
wie ich es möchte.
Auch wenn zuletzt alles in Schmerzen endet.
Auch wenn zuletzt alles zu Wildnis wird.
Meine Wildnis wird üppig sein
vom wachen Lied der Weiblichkeit, erdichtet
zum Ruhm des Körpers, der stirbt,
und des Herzens, das unsterblich ist
wie der Stamm der Agave auf dem Felsen,
geschunden von der Gier des Meeres.
Auf dem Felsen: der weißen Brust, getaucht
aus der Trauer des uralten Ozeans.
Wenn du die Erde bist und ich eine Frau, geschaffen
für den Irrsinn der Pflanzen und den Traum des Pflügers,
dann wollen wir deine und meine Lieder singen,
wollen fruchtbar sein, hellsichtig und unsterblich.
Auf dass wir eine neue Sanftheit der Welt gebären.
Ein neues Heiligtum der Güte. Wach auf,
ferne Flöte. Komm, Geliebter!
(Ropstvo – Sklaverei, 1957)
Das Kind und die Wiese
Nur das Kind spürt deutlich im Moos das Glitzern
des baldigen Frühlings, das Zwitschern im Gefieder des Eisvogels.
Es läuft mit den Bächen um die Wette, küsst sonnen beschienene Fichten, und seine Augen
nehmen die Farbe des nahen Hügels an.
Das Kind kann mit seinem Lachen die Schönheit des Morgens wecken
ohne auf die Dauer des Klanges zu achten,
der zufällig im Wind zerriss.
Kinder sind das Echo erloschener Dinge.
Nackt und rein wie ein Fischteich sehen sie sich
im Auge der Wiese, im Netz der Spinne.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Ein echtes Gedicht
Ein echtes Gedicht hätte man vor langer Zeit schreiben müssen,
als die dunklen Urnen des Lebens noch im vergoldeten
Zenit des Sommers standen, unbeweglich,
und die Klänge der Tiefen
sie nicht berührten.
Als das Schweigen bitterer war und die Worte leichter,
und die Gedanken sich mit den Gedanken
wie Sonnenstrahlen in den verzauberten Räumen des Südens trafen.
Ein echtes Gedicht hätte man vor langer Zeit schreiben müssen,
um es den Menschen zu geben, die es verachten würden,
und hätte ohne es weitergehen müssen,
um sich im Dunkel
nach ihm umzusehen.
Aber ein echtes Gedicht hätte uns mit sich
in seine Wirklichkeit fortgeführt,
dort wo die Bäume erfrieren und wo
tote Menschenaugen groß wie Seen wachsen.
Ein echtes Gedicht würde uns ertränken
in diesen Seen, in diesen Augen, den großen, toten,
in diesen Urnen, die langsam vom Zenit herunterstiegen,
um sich im Kreis um unser Herz zu gruppieren,
mit der Anmut der Nachtigall
seine Asche zu sich rufend.
(I prolazim životom – Und ich gehe durchs Leben, 1972)
Schlaflied
Ihr lieben Fernen, heilt mir die schweren noch wachen Augen
mit einem Lied vom Märchenwald, einem Lächeln in der Umarmung,
einem Gespräch einsamer Boote in schattigen Häfen.
Tragt mich, ihr weißen Arme, zur Kindheit an die klingende Küste.
Ach, dort werde ich vielleicht nur den Duft der alten Bäume finden,
das Zischen des Meeres, besorgte Augen, rauchigen Jugo.
Den Grund des Brunnens werde ich nicht finden. Auch nicht den Rand der Sterne.
(Vidrama vjerna – Den Fischottern treu, 1957)
Wenn du in der Nähe wärest
Wenn du in der Nähe wärest, lehnte ich meine Stirn an deinen Stock,
und lächelnd umschlänge ich deine Knie.
Aber du bist nicht in der Nähe, und meine unruhige Liebe zu dir
kann keinen Schlaf finden im nächtlichen Gras,
nicht auf den Wellen des Meeres, nicht auf den Lilien.
Wenn du nah wärest. Wenn du wenigstens so
unbeständig nahe wärest wie eine Regenwolke
über dem einsamen Haus im Tal.
Wie über dem bleigrauen Meer der Schrei einer Möwe, die
vor dem kommenden Sturm ängstlich in den Abend fliegt.
O, wärest du wenigstens so traurig nah
wie eine Blume, die mit geschlossenen Augen
unter einer weißen Schneedecke schläft, in der Stille
steinerner Wälder den Frühling erwartend.
Wenn du nah wärest, o, meine kalte Blume.
Wenn du nur mit einer Bewegung in der Nähe
meiner freudlosen Gärten wärest,
die schon verdorren, erschöpft vom langen Wachen.
Aber es ist Nacht, und die Welt ist fern,
und ich weiß nichts von deiner Ruhe. Meine Vögel
flogen von deinen Ästen. Und der Glanz des frühen Morgens
verschwand für immer aus meinen Augen
in die verletzte Erde des Vergessens,
in der der Name Liebe unbekannt ist.
(Crna maslina – Der schwarze Olivenbaum, 1955)
Eifersucht
Ich weiß, dass Orkane tausendjährige
Bäume entwurzeln.
Ich weiß, dass Rost die Flanken
von Ozeandampfern zerstört.
Ich kenne das Toben, über die Ufer getretener Flüsse,
und das Brüllen der Löwen vor einem Erdbeben.
Ich weiß, dass Termiten in Australien
Schäfersiedlungen untergraben können.
Und Heuschreckenheere, die gen Norden ziehen,
die Sonne verdunkeln.
Aber ein Übel kenne ich,
das schlimmer ist als alle Unwetter,
als das Tosen reißender Ströme,
als Heere von Heuschrecken.
In unserem Herzen brennt ein Feuer,
das von zwei uralten mit Binsenmatten
bedeckten Teufeln bewacht wird.
Dort rührt in kupfernem Kessel
eine grünäugige Zauberin das stärkste Gift,
das die verzweifelte Phantasie der Liebe erdacht hat.
Das ist die Eifersucht.
Ich habe Angst, dieses Wort voll Grabesluft
und Fäulnishauch auszusprechen.
So wie ein Kuckuck im Nest
eines zarten Vogels aufwuchs, hat die Eifersucht,
die im Nest der Liebe nistet,
aus meinem Herzen alle Singvögel verstoßen
und mich unglücklich gemacht.
Folgt mir nicht,
umgeht meinen Weg,
auf dem eine Kobra lauert.
Trinkt nicht aus jenem Brunnen,
aus der verseuchten Quelle Aussätziger!
(Crna maslina – Der schwarze Olivenbaum, 1955)
Langeweile oder wer weiß, was für ein Tag
In einem Gedicht, das ich nie schreiben werde,
Liegt ein See, schon alt geworden
Von taubenetzten unsichtbaren Blüten, die eine
Unbrauchbare Leiter immer tiefer
In mich tauchen, in eine Stadt
Zu einer lustlosen Statue des Frühlings,
Dem grünen Trommler, der in Lumpen gehüllt,
Bei militärischem Regen irgendwo wartet,
Wo altmodische Tränen müde wurden
Und sich in Hass verwandelten.
(Bubnjevi mjesto srca – Trommeln statt Herzen, 2003)
Musik der Nacht
Die Abendglocken sind verklungen.
Grau fließt der Fluss in der Niederung.
Geheimnisvolle Schritte hab ich vernommen
am leeren Brunnen in der Dämmerung.
Nachts dürsten die Lippen, und die betrogene
schmerzende Seele schluchzt auf im Schlaf.
Lodernde Nacht, in Rosen wogende,
als das irre Mädchen mit dem Mond sich traf.
Musik der Nacht: das sind die Flüsterstimmen
der Vögel, die am Wegesraine
im Dunkel betend auf den Bäumen liegen.
Wenn aus dem Schlaf sie wecken morgendliche Stimmen,
wird die Musik, zerstoben in die Steine,
im Morgennebel leicht verfliegen.
(Bubnjevi umjesto srca – Trommeln statt Herzen, 2003)
Fenster
Ich träume von grünen Schiffen im stillen Hafen,
in einer unbekannten Gegend, jenseits des Hügels.
Irgendwo bellt ein Hund in weiter Ferne. Die Straße
wartet vor dem Haus, voll Ungeduld. Ein Pferd mit goldener Mähne wiehert
in einem mit Mauern umgebenen Hof. Es ist windstill.
Wenn ich auf den Turm steige, werde ich die Himmelskuppe sehen,
niedrige, niedrige Wolken. Eine Schwalbe und den Rauch des Dampfers.
In noch weiterer Ferne wird die Welt groß und merkwürdig sein.
Unter dem roten Balkon ruht der Abend auf Rosen.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Die Mutter des Menschen
Besser, du hättest den schwarzen Winter geboren, o Mutter, statt meiner,
einen Bären im Bau geboren, eine Schlange im Nest.
Und einen Stein geküsst, besser als mein Gesicht,
dass mich ein wildes Tier mit dem Euter gesäugt, es wäre besser als eine Frau.
Und hättest du einen Vogel geboren, o Mutter, so wärest du Mutter.
Du wärest glücklich, unter dem Flügel würdest das Vöglein du wärmen.
Hättest du einen Baum geboren, der Baum wäre zum Leben erwacht im Frühling,
eine Linde würde erblühen, das Schilf ergrünen bei deinem Lied.
Zu deinen Füßen schliefe das Lamm, wärest du eines Lammes Mutter.
Würdest zärtlich du sein oder weinen, dein sanftes Junges würde dich verstehen.
So aber stehst alleine du da und teilst mit den Gräbern dein Schweigen;
es ist bitter, ein Mensch zu sein, wenn Messer und Mensch sich verbrüdern.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Der Körper und der Frühling
Schlage aus, mein Apfelbaum, die Sonne kam zur Tür herein.
Heimlich steigt das Wasser des Baches, und der Wind rauscht von ferne.
Warm zwitschert der Mittag, die Tage glänzen in goldenem Schein,
entferne den schmerzenden Vorhang, dass in blauer Nacht ich sehe die Sterne.
Flüsternd lass Früchte lebendig werden, mein stiller Apfelbaum,
klare Augen wie deine, o Brunnen, schenke auch mir!
Lass den Stein mir zum Kissen werden, mein Herz zum Farbentraum,
ein weiches Blumenlager erfrische mich hier.
Teile mit mir, o Welt, dein ewig’ Gedicht, in einen Wald mich verwandle.
Meine Seele schlage aus, gib im Schlaf ihr die Größe.
Ich werd’ eine andre mit dem ersten Wandrer, der über die Landstraße wandle.
Der Frühling kommt, horche; o Mutter, die Brust mir entblöße!
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Angst
Mir kommt in den Sinn
ich könnte sterben
die Finger auf dem Kissen
die Finger die noch den ganz blauen blauen
auf deine Schwelle geworfenen
blauen Mittag suchen
Ich erschrecke
und laufe in die Felder
(Vjetar Trakije – Der Wind von Thrakien, 1964)
Ich war ein Junge
Im Mondschein verbarg mich
der Abend, die Kerze löschend.
Die ganze Nacht träumend lag ich
zwischen blauen Bäumen schlafend.
Ich war eine Weinbeere, eine pralle
zwischen den Zähnen beim Küssen,
ein Fuchs, entkommend der Falle,
ein Junge jauchzen wird müssen.
Biss eines Gedichts auf der Stirne Mitten,
eine bunte Katze beim Spiel in der Laube.
Was ward mir nicht alles, Erfüllung der Bitten,
Spiegel des Fisches in der Otter Auge!
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Die Mädchen im Mausoleum
Das Gold der Mosaiken weckt Tulpen
auf dunkler Mauer.
Nachdenklich bewegen sich die Schatten.
Wer könnte die stillen Jahre des Mausoleums zählen?
Wir sind braungebrannt, halbnackt.
Und betreten das kalte Oval der Gruft,
schlanke Eidechsen, von Liebe gequält.
Wir flüstern: du alter Marmor,
sind wir schön?
Jung ist dieser Abend, voll Unruhe;
schwer von Glut der Horizont.
Das grüne Herz in uns
wie Mondschein.
Keine Galeeren sonnen sich, keine Kaiser schreiten durch die Säulenhalle.
Wir aber lachen im Peristyl.
Das Echo erschreckt dunkel gewordene Tauben.
Heute Abend werden wir durch die Straßen ziehen, wild und außer Atem.
Düster das Stimmengewirr des großen Platzes ahnend.
Ach, niemand versteht die dahinschwindende Zeit,
unsere Vorfahren, die Barbaren, die freudlose Sphinx.
Unter einer gelben Lampe im Rov
wird schwermütig gesungen.
Feuchte Trauer der Dinge fällt auf uns.
Erzählt nichts mehr von dem merkwürdigen Diokletian!
Angst trübt unsere Augen.
Das Meer schwemmt Apfelsinen in den Hafen.
Und der Frühling hat den Himmel rot gefärbt.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Das Fenster durch das ich den Mond heimlich beobachte
Ans Fenster gelehnt, erwarte ich das Aufgehen des Mondes;
sein Kopf erscheint dort unten hinter den Sträuchern am Saveufer,
wo die Frösche quaken. Gierig und träge
erhebt er sich, wächst, während auf der anderen Seite des Flusses
die Erde mit dem Krieg sich paart. Wehklagen ist zu hören.
Den blutigen Mondteller waschen die Mädchen
hinter den Büschen im Nebenarm des Flusses,
wo leichte Winde die Leichen anschwemmen.
Barfuß, mit nackten Armen, laufen sie hin und her
im Sumpf, bei den kichernden Wildenten.
– Nie wieder wirst du aufgehen, kranker Mond –
schreien sie ihm ins Ohr. – Von deinem Schatten
erwuchs der Mensch, der über die Spitzen des Schilfrohrs geht
und uns verfolgt. O, ihr Sumpfgötter,
euer Tempel steht verlassen, in ihm knien Witwen...
Und dann sehe ich, wie zwischen den Sträuchern am Saveufer
ein Jüngling von unendlicher Schönheit hervortritt.
Auf dem Rücken trägt er einen tausendjährigen Wald,
sein Mund ist ein glühheißer Mühlstein.
Aus den Grübchen seiner Wangen fliegen Schmetterlinge
und hinterlassen nur güldene Asche
für mich, späte Pilgerin des Schmerzes.
Bezaubernd ist die Landschaft seines schwermütigen Gesichts,
wie man es oft auf Gemälden alter Meister sieht,
wo Augen und Himmel ineinander verschmelzen.
Am Horizont stirbt die Sehnsucht, und das Geschick wird geboren.
Manchmal kündigt es sich an mit Flüchen, manchmal mit einem Lied;
nichts lockt das Herz so süß wie die Vergänglichkeit.
O, geballte Stille der Leidenschaft, du Unverständnis,
das in jeder Saite göttlicher Musikinstrumente summt!
Im Nebel des Sumpfes kämpft sich der junge Mann durch seinen
glühendsten Traum. Er flüstert: ein Schlafwandler bin ich,
doch nirgends find ich eine Ebene für meinen aufrechten Gang,
auch keinen Engel, mir mit Küssen die Fesseln zu lösen.
Worin soll ich das Leben hüllen, ich, Totengräber des Mondes,
auf dass ich nie mehr den Leib einer Frau berühre,
ich, ein Krieger mit erloschener Fackel, Geliebter der Heimat...
Ich sammle den Staub unter deinen Füßen. Du gehst fort
voller Erinnerungen, voller Vögel und Hagebutten der Morgenröte.
Und nie mehr wird es die goldene Einsamkeit
ruhiger Nachmittage geben.
Und nie mehr Liebe
diesseits
der Sonne.
(Bubnjevi umjesto srca – Trommeln statt Herzen, 2003)
Die Ballade von den betrogenen Blumen
Gerade war das Geißblatt an den Hängen erblüht.
Und das Gold meckernder Herden rauschte
über das Grün schattiger Weiden.
Die Jungen zogen ihre Schuhe aus,
um die Gänseblümchen nicht zu zertreten.
Warm war der Sonntag; die Schwalben durchstießen
das Blau des Himmels.
Ein weißes Netz spann die Spinne im duftenden Kiefernwäldchen.
Wer denkt an die Traurigkeit ungetünchter Zimmer und an Tote!
Kinder glauben nicht, dass die Erde den Körper verschlucken wird.
Am Horizont steigt schwarzer Rauch auf. Ein Gerücht
von sich nähernden Soldaten geht um.
Wem gehören die rot schimmernden Weiden,
wem die Fenster auf dem Hügel?
Rundum läuten die Glocken, sie läuten im Gänseblümchen,
in Blicken blau wie Veilchen.
Warum spannte die Spinne ihr Netz aus, warum nähert sich das Heer?
Ach, lest das klangvolle Märchen von Blumen,
von Wolken, ihr Brüder!
Im schmelzenden Schnee sind noch Spuren von Rehen erkennbar,
und das Rauschen der Nadelhölzer tönt um die freien Gipfel.
Man sagt, ein böser Geist erschrecke den Mondschein
mit den funkelnden Scheinwerfern seiner Augen.
Warum gehen die Jungen mit der Zielscheibe des Spinnennetzes
nicht nachhause? Gefangene Hummeln sollten sie freilassen
und fliehen, fliehen.
Der böse Geist geht um im Mondschein. Die Jungen binden
den Drachen los, und das Heer nähert sich.
Hunderte kleiner Hämmerchen schmieden goldene Tulpen.
Nichts ahnt die blinde Made. Nur das Kind hat Augen.
Das unglückliche Kind! Es wird den erhängten Vater sehen
am weiß blühenden Pflaumenbaum im Hof, an ihrem Pflaumenbaum.
Gestern erblühte das Geißblatt am Hang,
und heute zerstört das Trommelfeuer den Frühling.
Alarm läutet über den stillen Lichtungen,
Alarm erschreckt die Blumen. Ein Schuss verwirrt das Eichhörnchen.
Die Jungen stürzen sich in die am Ufer liegenden Kähne,
aber Wachposten erlauben ihnen nicht, sich zu entfernen.
Kriecht schnell in kleine Ameisenhaufen, löscht die Kerze.
Versteckte Torpedos zerstören den Fischfang. Nichts verblieb mehr
in der Sonne. Nur der Wind trägt aus trockenen Gräbern
namenlose Asche. Die Toten vergiften den Tag.
Was bleibt dem Menschen zu tun übrig?
Das Gänseblümchen öffnet vor Angst die Augen,
denn der Heckenschütze zog seine Stiefel nicht aus.
Ein Lamm verlor die Milch und bleibt betroffen an der Straße stehen.
Der Feind – ein Mensch – überfiel die unbewaffneten Blumen.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Regen
Ich höre keinen Regen mehr.
Das Fenster, die grüne Seerose,
atmet im Zwielicht.
Die Stimmen der Jungen entfernen sich zur Mole hin,
wo die weißen und schwarzen Dampfer ankommen.
In ebenerdigen Spiegeln liegt die Farbe des Himmels,
ruhig und gedämpft.
Einsame Spaziergänger suchen noch den Sommer im Weinberg.
Ein Jäger wartet in der Dämmerung.
Die Phantasie ist golden wie die ferne Ebene.
Den Pinien und dem Mond öffne ich die Tür.
Ans Fenster gelehnt ahne ich ein fernes Echo.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Lauter als die Jahrhunderte
(für A. B. Šimić)
Aus den wachenden Sternen schuf der Dichter
einen Traum von der Heimat
für die, die mit dem Herzen die Heimat nicht erkannten.
Er lieh seine Augen dem Morgenrot, dass es hinuntersteige
ins Bodenlose,
von der Sonne beschienen. Und blind auf der Höhe stehend,
von der aus die irdischen Mächtigen nur einen Schatten
der Erde erkennen,
starrt er auf das, was Gott vor den Sterblichen verstecken will.
Und stumm ruft er den Sternen entgegen: diesen Augenblick
meines Lebens hielt ich an
durch die Kraft eurer Ewigkeit. Und meine
Heimat folgt mir.
(Bubnjevi umjesto srca – Trommeln statt Herzen, 2003)
Wenn das Meer sich fortbewegt
Wenn das Meer sich von einem Ende des Horizonts zum anderen fortbewegt – bewegen auch wir uns mit ihm zusammen fort, du meine Seele, die du mit der Eintönigkeit der Erinnerungen bedeckt bist. Wenn sich das Meer, in Wut gehüllt, aus den schweigsamen Grüften der Vorfahren erhebt – erheben auch wir uns mit ihm zusammen unwillig, du meine Seele, du Brachland, auf das das Korn der Zukunft gesät wurde. Das Meer mag verschwinden, aber es stirbt nicht. So verschwindet wohl auch die Seele, ohne etwas von dem zauberhaften Tod zu wissen, den sie nur mit dem Rand ihres Flügels gestreift hat!
Die Seele verschwindet und nimmt in eine unendlich milde Schatzkammer all das mit, was aus Gottes Hand in ihr erblühte.
O Meer, das meine Seele besser als ich versteht, hilf mir, dass ich sie wie eine traurige Fackel durch das Dunkel des Gebets trage!
(Telegram, 26. 11. 1971)
Vor dem Meer, wie vor dem Tod, habe ich keine Geheimnisse
Wenn du den Weg zu meiner Seele suchst,
führe mich ans stürmische Meer.
Dort wirst du mein enthülltes Leben sehen –
einem zertrümmerten Tempel gleich: meine Jugend,
eine von Feigenbäumen umstandene Hochebene.
Meine Schenkel: ein uraltes Klagelied,
wegen dessen die heidnischen Götter
auf die Knie sinken.
Vor dem Meer, wie vor dem Tod, habe ich keine Geheimnisse.
Erde und Mond verwandeln sich in meinen Körper.
Die Liebe verpflanzt meine Gedanken
in die Gärten der Ewigkeit.
(Vidrama vjerna – Den Fischottern treu, 1957)
Pilgerfahrt in den Schlaf
So wollen wir, meine Seele, diese feindliche Welt bereisen.
Wir lieben sie nicht mit den Augen, trotz des Durstes,
der uns quält. Wir haben es nicht eilig, ihre Geschenke
mit unserem neugierigen Herzen zu empfangen.
Alleine wollen wir die steilsten Pfade betreten,
an gefährlichen Stellen Zeichen setzen, und nur
das Eichhörnchen mit der blauen Nuss zwischen den Zähnen
wollen wir nach den Jahreszeiten fragen, nach dem
zwischen Fichtenwurzeln und dem Grün der Erinnerung
verronnenen Tag.
Aber was wir auch erforschen auf der Erde,
wir können uns nur mit all dem an sie wenden,
was sie selbst uns freudig gab,
(mit unserer Jugend, mit Augen unklarer Visionen).
Die Blumen wachsen nicht, um uns zu ergänzen,
wir leben nur, um ihr Leben zu verteidigen.
Man muss ihn betrachten, den unverständlichen Lauf
alles dessen, was uns umgibt,
um die einzige Möglichkeit des Atmens zu erkennen.
Die Liebe aber ist etwas ganz anderes. O, diese Entfernung
zwischen uns und dem Frieden der Blume,
die uns gegeben wurde, um deren Glück zu betrachten.
Dieses Reifen erzeugt in uns den Durst und den Begriff der Liebe
und lässt uns erkennen, dass sie der schwerste Weg zur unerreichbaren
Schönheit des Schlafes ist.
Warum zögern wir? Machen wir uns auf dorthin, von wo
die Blume uns nicht mehr zurückbringen kann,
auch dann nicht, wenn wir alle Irrtümer, die wir
in unserer Jugend mit Augen unklarer Visionen hegten,
erkennen. Aber was wir auch in der Schatzkammer der Erde fanden,
wollen wir für immer, für immer lieben.
Und nur für immer, denn ein anderes Wort weiß uns die unbekannte
Ewigkeit nicht zu sagen. Sie schläft.
(I prolazim životom – Und ich gehe durchs Leben, 1972)
Du deren Hände unschuldiger sind
Du, deren Hände unschuldiger sind als meine
und die du weise bist wie die Sorglosigkeit.
Du, die du von seiner Stirn besser als ich
seine Einsamkeit ablesen kannst
und die leisen Schatten des Wankelmuts
von seinem Antlitz verscheuchst
wie der Frühlingswind die Schatten der Wolken,
die über den Hügel ziehen.
Wenn deine Umarmung das Herz ermutigt
und deine Schenkel die Schmerzen heilen,
wenn in deiner Nähe seine Gedanken ruhiger werden
und deine Kehle seiner Lagerstatt Frische bietet
und die Nacht deiner Stimme zum Fruchtgarten ihm wird,
noch unberührt von jeglichen Stürmen.
Dann bleibe bei ihm
und sei frommer als alle,
die vor dir ihn geliebt.
Fürchte dich vor Wehgeschrei, das sich
der unschuldigen Lagerstatt der Liebe nähert.
Und sanft bewache seinen Schlaf
bei den Bergen, den unsichtbaren,
an des tosenden Meeres Ufer.
Wandere über seinen Kieselstrand. Trauernde Delphine
mögen dich begleiten.
Durchstreife seinen Wald. Freundliche Eidechsen
werden dir nichts Böses antun.
Und die durstigen Schlangen, die ich zähmte,
werden demütig dir begegnen.
Die Vögel, die ich wärmte in Nächten
klirrenden Frostes, mögen für dich singen.
Der Junge, den ich schützte vor Bösewichtern
auf einsamer Straße, möge dich streicheln.
Und die Blumen, die ich mit meinen Tränen begoss,
mögen für dich duften.
Die schönste Zeit seiner Mannbarkeit
erlebte ich nicht. Seine Fruchtbarkeit
empfingen nicht meine Brüste,
die von den Blicken der Viehtreiber auf den Märkten
und gieriger Räuber verwüstet wurden.
Nie werde ich seine Kinder
an der Hand führen. Und die Geschichten,
die ich seit langem für sie ersann,
werde vielleicht weinend ich
kleinen armseligen Bären erzählen,
die im düsteren Wald verlassen wurden.
Du, deren Hände unschuldiger sind als meine,
bewache zärtlich seinen Schlaf,
der arglos blieb.
Doch erlaube mir sein Antlitz zu sehen,
wenn unbekannte Jahre
sich auf ihn senken.
Und erzähle mir manchmal etwas von ihm,
damit ich nicht Freunde fragen muss,
die sich über mich wundern, und die Nachbarn,
die meine Geduld bemitleiden.
Du, deren Hände unschuldiger sind als meine,
bleib neben seinem Lager
und sanft bewache seinen Schlaf!
(Crna maslina – Der schwarze Olivenbaum, 1955)
Aufgehaltene Schritte
In einer Stadt sah ich
einen Platz voller Rosmarin
der Sonne zugewandt
Und plötzlich
war alles so
freudig überwunden
Der Tod war ganz
sinnlos geworden
im abendlichen Grün
des Laubes
vergessener Gemächer
(Vjetar Trakije – Der Wind von Thrakien, 1964)
Nur eins verstehe ich nicht mehr
Nur eins verstehe ich nicht mehr: die Sternensehnsucht,
diesen irrsinnigen, leidenschaftlichen, brutalen, unendlichen
Fluch des Wachsens der Seele in alle Richtungen. Wie soll man
den eigenen Drachen in ein fremdes Schicksal einspannen,
diese dunkle Verbindung des Wurzelwerks, die keine Verantwortung trägt
für das, was sich mit dir und so manchen anderen ereignen wird.
Zufällig triffst du auf eine Wolke und denkst: sieh da, ein Spaziergänger,
der dem Flüstern des Grases bei Tagesanbruch ähnelt.
Jemandes blasse Stirn nimmt einen Platz in dir ein, für immer.
Bohrt ein Schloss in die Zeit, tritt hinaus in einen Fisch.
Umsonst die eisernen Gitterstäbe.
Am anderen Ufer gibt es keine Wahl mehr. Schließ die Kammer auf!
Alles ist so, wie wir es uns wünschten. Du wirst nicht getäuscht.
Die gierige Zeit in uns wurde fortgeschoben. Endgültig.
Der Weg ist unser Gefangener. Wir aber sind frei. Gerührt
entfernt sich der Mensch mit seiner Geschichte, in der nichts erfunden wurde.
(Stid me je umrijeti – Ich schäme mich zu sterben, 1974)
Der Olivenhain
Ich weiß nicht, ob mich die Stimme eines Vogels
oder das Pfeifen des Ostwinds einst
am späten Abend in den Olivenhain führte,
wo über den silbriggrünen Wipfeln
noch das friedliche Licht des Tages hing.
Damals stieg ich hinab in die bittere Bucht
der einsamen Kräuter und erblickte am Ufer
des glitzernden Meeres, auf den vom Mond
beschienenen Kieseln, seine sanfte Gestalt,
umhüllt vom Flüstern und Murmeln der Wellen.
O, hätte doch nie ich ihr Rauschen gehört!
Wäre ich doch bei der Mauer geblieben
unter dem wilden Feigenbaum, wär ich doch nicht
in den schattigen Hain am Silberstrand
und mondbeschienen Felsen hinab gestiegen.
Du hast einsam und unbekannt
auf einem Stein gesessen am sandigen Ufer.
Und des Windes trauriges Tosen
wiegte die dunkel gewordenen Äste
und deine düsteren Gedanken.
Und vielleicht wärest du unglücklich
über die herbstlichen Hügel geirrt,
verwandelt in einen ziellosen Vogel,
in einen Stern, unruhig glühend
über der Weite des Meeres.
Ich aber wäre unbesorgt unter dem wilden Feigenbaum
früh eingeschlafen, wäre nicht traurig,
die Wege des Jünglings nicht zu kennen,
der alleine und fremd beim Glanz der Wellen
und Schweigen des Sommers das Meer betrachtet.
(Crna maslina – Der schwarze Olivenbaum, 1955)
Der Baum
Du sagtest: Sei ein Baum.
Und ich wurde zum Baum.
Du sagtest:
Sei schüchtern.
Und ich wagte nicht,
mit den Blättern zu rauschen.
Du sagtest: Sei treu.
Und ich wartete.
Dann schwiegst du.
Der Baum aber steht noch hier.
Und wagt nicht,
mit den Blättern zu rauschen.
(Crna maslina – Der schwarze Olivenbaum, 1955)
Der schlafende Jüngling
Hingestreckt auf die Kiesel der schattigen Bucht,
liegt er wie ein umzäunter Weinberg,
einsam und den Wellen zugekehrt.
Sein Gesicht ist lieblich und ernst.
Der Mittagswind umspielt ihn.
Ich weiß nicht, ob ein Zweig des Granatapfelbaums
voll zwitschernder Vögel oder die Vertiefung seiner Taille,
geschmeidiger als eine Eidechse, schöner ist.
Ich lausche dem Dröhnen fernen Donners,
das vom Meer aufsteigt und immer näher kommt.
Und versteckt hinter einer alten Agave beobachte ich,
wie die Kehle des Jünglings zur Möwe wird
und der Sonne entgegenfliegt, melancholische Schreie
in gelbe Wolken ausstoßend. Und aus der Bronze
seines prächtigen Leibes erhebt sich dunkel
eine blühende Klippe, auf der entzückende
Feen und Märchenköniginnen ruhen.
Der Kieselstrand klirrt und das Meer färbt sich grau.
Goldene Schatten verdunkeln den Weinberg.
Wolken türmen sich auf in der Ferne.
Blitze berühren die bewaldete Bucht.
Ich atme den Duft des Sommers, der über den Pflanzen hängt,
und ihre Nacktheit berauscht mich.
Dann betrachte ich meine glänzenden, vom Meeresschaum vergoldeten
Arme und Hüften, aus denen das Öl der Olivenhaine fließt.
Und als ich meine stillen Blicke wieder auf den Schlafenden richte,
der eingetaucht in den Lärm des trägen Sturms und alt wie eine Agave ruht,
denke ich voll verwirrenden Verlangens,
wieviele weiße Vögel in den weißen Wolkenschluchten
dieses Körpers mit ausgebreiteten Flügeln zittern,
die mit ihrer Stille das Rauschen des Meeres
und die Einsamkeit der Gräser verwirren.
(Crna maslina – Der schwarze Olivenbaum, 1955)
Unbegreifliche Passanten
Jemand verließ uns, lächelnd. Es war Mitternacht.
Es war im Dezember.
In unserer, wie ein Spiegel kalter Erinnerung
schweigt sein Bild und welkt.
Der Jüngling mit dem braungebrannten Gesicht eines Vagabunden
ging fort und wird nicht wiederkehren.
Langsam und ohne Lärm machen wir uns auf den Weg.
Immer seltener denken wir an ihn, manchmal mit Verwunderung.
Eines Tages aber wird ein Schmetterling ins Zimmer fliegen,
und die Mutter wird erschrecken: Wer steht dort vor der Türe?
Die Straße hat sich völlig verändert. Durchs Fenster sehe ich:
Jemand betrachtet nachdenklich die Wolken.
Wer könnte je vergessen, wie sehr der Jüngling das Blau des Himmels liebte
und den Staub der Landstraße!
Es riecht nach frischer Farbe. Hier stehen Neubauten.
Die Frühlingssonne wärmt gelbe Schlüsselblumen.
Plötzlich ist das Meer so nah, so nah;
Der Dampfer hat angelegt, wie damals.
Sie schickten einen Korb Feigen und einen Brief; wer grüßt da
mit geduldiger Handschrift schon jahrelang?
Ist meine Mutter nicht müde? O, schon lange ist das alles her.
Wir eilen weiter, reißen Stückchen von der Vergangenheit ab –
wie verwelkte Blumen. Hinter uns zurück bleiben Baumreihen,
abgeholzt und traurig. Unbegreiflich ist das Scheiden.
(Zore i vihori – Morgenrot und Wirbelsturm, 1947)
Die dem Meer zurückgegebene Koralle
Zurück gebe ich diesen scharlachfarbenen Sonnenreifen, diesen Stern der Erde
im Spiegel des Meeres,
verkörperte Form des Lebens, die sich nicht ausreißen lässt,
die in der Siedlung lebendigen Wurzelwerks und großer, regloser Fische auf dem
Grund des Meeres wächst,
zurück gebe ich, was ich zuerst nahm, um mich wie eine Pflanze zu schmücken
zur Feier der Menschen und des Frühlings
vor der morgendlichen Ikone des Lichts und den Winden der Ferne,
zurück gebe ich den Samen des Lebens, die rote verästelte Blume,
die nicht Stein nicht Muschel nicht Salz nicht Rebe nicht Keim ist,
jedoch lebt und wächst und zum Berg und zur Insel werden kann.
Zurück gebe ich meine Jugend und meinen Tod und alles, was der Baum
vom Morgen bis zum Abend gibt,
Zurück gebe ich die Boote der hohen See und die Vögel dem Festland,
die Bäche dem Klee, die Nester dem Licht im Osten,
die Zärtlichkeit den Bitteren und Verwirrten, den Mut den zum Aufbruch Bereiten,
die Einsamkeit dem sich verirrten Mond, die Trauer den Herden der
Morgenröte im Gebirge,
zurück gebe ich die Wiege dem Meer, das Feuer den Feuersteinen
und schreite weiter auf den unbekannten Wegen meines Lebens,
das vom Lauf der Sterne und von der Fülle der Stille stammt.
(Koralj vraćen moru – Die dem Meer zurückgegebene Koralle, 1959)
Wenn ein Vogel aufhört zu lieben
Wenn ein Vogel aufhört einen anderen Vogel zu lieben, sagt er zu ihm: fliege jetzt tausend Meilen weit fort, um nicht zu sehen, wie die Gleichgültigkeit in meinen Augen wächst!
Denn ein Vogel ist nicht träge wie der Mensch; Ferne bedeutet für ihn das Flattern süßen Lichts, das Liebe entfacht.
Er sagt nicht zu ihm: Jetzt verstecke dich tausend Fuß unter der Erde, um nicht zu hören, wie ich des Abends ein sanftes Schlaflied einer anderen Liebsten singe, die mit dem Schnabel unter meinem Flügel neben mir liegt!
Denn ein Vogel ist nicht oberflächlich wie der Mensch; er weiß, dass das Schlagen des Herzens unter der Erde noch stärker ertönt, und statt der beruhigenden Klänge eines Schlaflieds müsste der ganze Wald das Dröhnen des unterirdischen Raums, das der Schmerz hervorrief, hören.
Wenn deshalb ein Vogel aufhört einen anderen Vogel zu lieben, bleibt er bei ihm, um in Einsamkeit zu sterben.
Wenn aber der Mensch aufhört, einen anderen Menschen zu lieben, vor Scham und Verwirrung weiß er nicht, was er tun soll, und indem er weiter und weiter vor ihm flieht, setzt sich für immer in seinem Herzen dessen Trauer fest.
Die Gedichte auf den Drei Inseln - Wenn ein Vogel aufhört zu lieben
aus dem Kroatischen übersetzt von Hedi Blech-Vidulić
Kritična masa raspisuje novi natječaj književne nagrade "Kritična masa" za mlade autorice i autore (do 35 godina).
Ovo je osmo izdanje nagrade koja pruža pregled mlađe prozne scene (širi i uži izbor) i promovira nova prozna imena.
Prva nagrada iznosi 700 eura (bruto iznos) i dodjeljuje se uz plaketu.
U konkurenciju ulaze svi dosad neobjavljeni oblici proznih priloga (kratka priča, odlomci iz većih formi, prozne crtice). Osim prozne fikcije, prihvatljivi su i dokumentarni prozni tekstovi te dnevničke forme koji posjeduju književnu dimenziju.
Prethodnih su godina nagradu dobili Ana Rajković, Jelena Zlatar, Marina Gudelj, Mira Petrović, Filip Rutić, Eva Simčić i Ana Predan.
Krajnji rok za slanje prijava je 10.12.2024.
Pravo sudjelovanja imaju autorice i autori rođeni od 10.12.1989. nadalje.
NAGRADA "KRITIČNA MASA" - UŽI IZBOR
Robert Aralica (Šibenik, 1997.) studij hrvatskoga i engleskoga jezika i književnosti završava 2020. godine na Filozofskom fakultetu Sveučilišta u Splitu. U slobodno vrijeme bavi se pisanjem proze i produkcijom elektroničke glazbe. Svoje literarne radove objavljivao je u studentskim časopisima Humanist i The Split Mind. 2022. kriminalističkom pričom Natkrovlje od čempresa osvojio je prvo mjesto na natječaju Kristalna pepeljara. Trenutno je zaposlen u II. i V. splitskoj gimnaziji kao nastavnik hrvatskoga jezika.
NAGRADA "KRITIČNA MASA" - UŽI IZBOR
Iva Esterajher (Ljubljana, 1988.) živi i radi u Zagrebu. Diplomirala je politologiju na Fakultetu političkih znanosti. Aktivno se bavi likovnom umjetnošću (crtanje, slikarstvo, grafički rad), fotografijom, kreativnim pisanjem te pisanjem filmskih i glazbenih recenzija. Kratke priče i poezija objavljene su joj u književnim časopisima i na portalima (Urbani vračevi, UBIQ, Astronaut, Strane, NEMA, Afirmator) te je sudjelovala na nekoliko književnih natječaja i manifestacija (Večernji list, Arteist, FantaSTikon, Pamela festival i dr.).
NAGRADA "KRITIČNA MASA" - UŽI IZBOR
Nikola Pavičić (Zagreb, 2004.) živi u Svetoj Nedelji. Pohađa Pravni fakultet Sveučilišta u Zagrebu. Piše, napose poeziju i lirsku prozu, te sa svojim tekstovima nastoji sudjelovati u literarnim natječajima i časopisima. U slobodno vrijeme voli proučavati književnost i povijest te učiti jezike.
NAGRADA "KRITIČNA MASA" - UŽI IZBOR
Luca Kozina (Split, 1990.) piše prozu, poeziju i književne kritike. Dobitnica je nagrade Prozak u sklopu koje je 2021. objavljena zbirka priča Važno je imati hobi. Zbirka je ušla u uži izbor nagrade Edo Budiša. Dobitnica je nagrada za poeziju Mak Dizdar i Pisanje na Tanane izdavačke kuće Kontrast u kategoriji Priroda. Dobitnica je nagrade Ulaznica za poeziju. Od 2016. piše književne kritike za portal Booksu. Članica je splitske udruge Pisci za pisce. Zajedno s Ružicom Gašperov i Sarom Kopeczky autorica je knjige Priručnica - od ideje do priče (2023).
NAGRADA "KRITIČNA MASA" - UŽI IZBOR
Ana Predan (Pula, 1996.) odrasla je u Vodnjanu. U šestoj godini počinje svirati violinu, a u šesnaestoj pjevati jazz. Po završetku srednje škole seli u Ljubljanu gdje studira međunarodne odnose, a onda u Trst gdje upisuje jazz pjevanje pri tršćanskom konzervatoriju na kojem je diplomirala ove godine s temom radništva u glazbi Istre. U toku studiranja putuje u Estoniju gdje godinu dana provodi na Erasmus+ studentskoj razmjeni. Tada sudjeluje na mnogo vrijednih i važnih projekata, i radi s umjetnicima i prijateljima, a počinje se i odmicati od jazza, te otkriva eksperimentalnu i improviziranu glazbu, te se počinje zanimati za druge, vizualne medije, osobito film. Trenutno živi u Puli, gdje piše za Radio Rojc i predaje violinu u Glazbenoj školi Ivana Matetića-Ronjgova. Piše oduvijek i često, najčešće sebi.
NAGRADA "SEDMICA & KRITIČNA MASA" - UŽI IZBOR
Eva Simčić (Rijeka, 1990.) do sada je kraću prozu objavljivala na stranicama Gradske knjižnice Rijeka, na blogu i Facebook stranici Čovjek-Časopis, Reviji Razpotja i na stranici Air Beletrina. Trenutno živi i radi u Oslu gdje dovršava doktorat iz postjugoslavenske književnosti i kulture.
Jyrki K. Ihalainen (r. 1957.) finski je pisac, prevoditelj i izdavač. Od 1978. Ihalainen je objavio 34 zbirke poezije na finskom, engleskom i danskom. Njegova prva zbirka poezije, Flesh & Night , objavljena u Christianiji 1978. JK Ihalainen posjeduje izdavačku kuću Palladium Kirjat u sklopu koje sam izrađuje svoje knjige od početka do kraja: piše ih ili prevodi, djeluje kao njihov izdavač, tiska ih u svojoj tiskari u Siuronkoskom i vodi njihovu prodaju. Ihalainenova djela ilustrirali su poznati umjetnici, uključujući Williama S. Burroughsa , Outi Heiskanen i Maritu Liulia. Ihalainen je dobio niz uglednih nagrada u Finskoj: Nuoren Voiman Liito 1995., nagradu za umjetnost Pirkanmaa 1998., nagradu Eino Leino 2010. Od 2003. Ihalainen je umjetnički direktor Anniki Poetry Festivala koji se odvija u Tampereu. Ihalainenova najnovija zbirka pjesama je "Sytykkei", objavljena 2016 . Bavi se i izvođenjem poezije; bio je, između ostalog, gost na albumu Loppuasukas finskog rap izvođača Asa 2008., gdje izvodi tekst pjesme "Alkuasukas".
Maja Marchig (Rijeka, 1973.) živi u Zagrebu gdje radi kao računovođa. Piše poeziju i kratke priče. Polaznica je više radionica pisanja poezije i proze. Objavljivala je u brojnim časopisima u regiji kao što su Strane, Fantom slobode, Tema i Poezija. Članica literarne organizacije ZLO. Nekoliko puta je bila finalistica hrvatskih i regionalnih književnih natječaja (Natječaja za kratku priču FEKPa 2015., Međunarodnog konkursa za kratku priču “Vranac” 2015., Nagrade Post scriptum za književnost na društvenim mrežama 2019. i 2020. godine). Njena kratka priča “Terapija” osvojila je drugu nagradu na natječaju KROMOmetaFORA2020. 2022. godine objavila je zbirku pjesama Spavajte u čarapama uz potporu za poticanje književnog stvaralaštva Ministarstva kulture i medija Republike Hrvatske u biblioteci Poezija Hrvatskog društva pisaca.
Juha Kulmala (r. 1962.) finski je pjesnik koji živi u Turkuu. Njegova zbirka "Pompeijin iloiset päivät" ("Veseli dani Pompeja") dobila je nacionalnu pjesničku nagradu Dancing Bear 2014. koju dodjeljuje finska javna radiotelevizija Yle. A njegova zbirka "Emme ole dodo" ("Mi nismo Dodo") nagrađena je nacionalnom nagradom Jarkko Laine 2011. Kulmalina poezija ukorijenjena je u beatu, nadrealizmu i ekspresionizmu i često se koristi uvrnutim, lakonskim humorom. Pjesme su mu prevedene na više jezika. Nastupao je na mnogim festivalima i klubovima, npr. u Engleskoj, Njemačkoj, Rusiji, Estoniji i Turskoj, ponekad s glazbenicima ili drugim umjetnicima. Također je predsjednik festivala Tjedan poezije u Turkuu.