Bojan Žižović wurde 1975 in Pula geboren. Nach dem Besuch einer weiterführenden Schule für bildende Kunst, spezialisierte er in Venedig alte Graphiktechniken und studierte in Ljubljana Malerei, sowie Russisch und Südslawische Sprachen. Er veröffentlichte die Gedichtbände „Apsurd“ (1993) und „U slučaju da ne postoji“ („Für den Fall, dass es nicht existieren sollte“) (2007). Er arbeitet als Journalist und Redakteur in der Tageszeitung Glas Istre. Er hat viele Jahre lang mit dem Avantgarderockmusiker Franci Blašković und seiner Band Gori Ussi Winnetou zusammengearbeitet, die viele seiner Gedichte vertonte. 2019 veröffentlichte er den Roman „Stranka“ („Die Partei“).
Auszug aus dem Roman „Die Partei“.
Aus dem Kroatischen von Klaus Detlef Olof.
Am Morgen war mir klar, dass sich ein Teil des Festlands abgetrennt hatte und dass ich mit ihm davongesegelt war. Nichts war mehr sicher. Auf dem abgetrennten Stück Land waren wir viele. Ganze Wolkenkratzer mit zahlreichen Anwaltsbüros, dazu eine Feuerwache, ein Andenkengroßhandel, eine kleine Fleischerei, Familien mit Kindern und ohne, etliche Fischer, die ihre Netze flickten, und ich auf der Bank. Es gab da auch etliche stromernde Hunde.
Das maritime Leben veränderte uns. Die Feuerwehrleute bekamen Angst vor dem Wasser, die Anwälte löschten das Licht in ihren Büros und wickelten sich in die Teppiche, und die Fischer versuchten erfolglos, sie mit Harpunen zu treffen. Das Meer war im Großen und Ganzen ruhig. Das Land schwankte nicht. Den Fischern wurde deshalb schlecht. Sie übergaben sich.
Ich gründete eine Partei. Ich ernannte mich zum Bürgermeister. Ich übernahm die Verantwortung für diesen Teil des abgetrennten Landes. Man applaudierte mir. Ich ersuchte sie, sich gern an mich zu wenden, falls sie ein Problem hätten. Ich werde ihnen helfen, es zu vergrößern, so dass das Problem so sehr anwächst, dass es einfach platzt. Ich werde sie freitags empfangen. Die Anwälte versammelten sich um mich. Sie spürten die Kraft.
Der Fleischer weinte. Er hatte nichts mehr zum Schlachten. Jemand hatte ein Schwein als Haustier. Ich übergab es ihm und sagte, das sei das letzte, was er schlachten werde. Er umarmte es und ging mit ihm weg, um den Untergang der wild gewordenen Sonne zu betrachten.
Ich nahm die Bank und ging mit ihr in eine der leeren Wohnungen. Ich fragte die Anwälte, ob ich das tun dürfe. Für sie war das eine rein juristische Frage. Ich zerschlug die Fenster und ließ die Meeresluft in die Wohnung, voller Feuchtigkeit und verlorenen Südwinds. Tagelang gab es keinerlei Veränderung. Das Meer war von derselben Farbe, das Land grau. Die Feuerwehrleute montierten auf dem Dach des höchsten Wolkenkratzers eine blaue Sirene von einem der Lastwagen. Es fand sich auch ein Leuchtturmwärter. Ich erklärte ihnen, dass wir kein Geld hätten, um seine Dienste zu bezahlen. Er war Volontär. Er zog sich völlig zurück. Er schloss die Tür zum Dach ab. Niemand konnte mehr zu ihm gelangen. Nebel umgab uns. Wir wussten nicht, wohin wir trieben. Der Nebel fiel einer Frau in den Schoß, während sie darin ihr Kind hielt. Es verschwand. Es verflog. Wir suchten das Kind. Jahrelang. Wir fanden es, als es schon erwachsen war, im Schrank einer Wohnung, in der an die achtzig Menschen wohnten. Es hatte geheiratet, Kinder bekommen. Die Mutter erkannte es nicht wieder. Ich übergab es ihr und zerschnitt feierlich das Band.
Die Anwälte sehnten sich danach aufzulaufen, uns wieder mit dem Festland zu vereinen, aber an einer anderen Stelle. Die Fischer waren dafür, dass wir eine Insel blieben. Keine schwimmende, sondern eine fixe. Wir verknüpften Leintücher zu einem großen Segel, dass wir zwischen zwei Wolkenkratzer hängten. Wir segelten schneller. Wir stießen an etwas an, segelten aber weiter. Man verlangte, ich solle einen Standpunkt einnehmen, ich solle sagen, ob das Land an dieselbe Stelle zurückkehren oder ob es weiter segeln solle, egal wo wir ankommen. Mein Gedanke war, dass alle in die Partei eintreten müssten, um sich dann zu vermehren. Viele warfen mir vor, wir hätten kein Krankenhaus, wir müssten eine Geburtsklinik haben. Ich versprach ihnen, wir würden eine bauen. Alle zusammen. Wenn wir das Material hätten. Ich deutete mit dem Finger auf die Meeresfläche.
– Seht ihr dort irgendwo Baumaterial?
Sie traten in die Partei ein. Und vermehrten sich. Kinder gab es die Hülle und Fülle. Das Land wurde zu klein für uns alle. Einige muss wir ins Meer stoßen. Es wird erzählt, dass nicht alle im Meer endeten, dass der Fleischer einige, anstatt sie hineinzustoßen, in seine Fleischerei abgeschleppt habe. Bei ihm hätten sie als Gehilfen gearbeitet. Die Fleischerei hatte nichts zu verkaufen, arbeitete aber trotzdem. Und hatte eine Unmenge Kunden. Die Leute kamen, unterhielten sich mit dem Fleischer oder seinen zahlreichen Gehilfen und gingen wieder. Es gab auch welche, denen mein Regierungskonzept nicht gefiel. Die schob ich persönlich ins Meer. Einer hielt sich ziemlich lange an einem Baum fest, dessen Krone bereits im Meer schwamm. Es hieß, ich würde autoritär herrschen, es gebe keine Rede-, keine Denkfreiheit. Auf so etwas habe ich nicht geantwortet. So etwas sagen neidische Menschen. Wir waren alle die Partei, und jeder konnte sagen, was er wollte, aber auf den Konferenzen jener Parteigremien, denen er angehörte. Diese Parteigremien überbrachten dann ihre Beschlüsse den anderen Parteigremien, die wiederum dritte Parteigremien informierten, und die vergaßen dann alles zusammen. Wie konnte dann ich schuld sein? Ich konnte die dritten Parteigremien austauschen, aber dann hätten sie erst recht gesagt, ich sei ein Tyrann. Ich versuchte den dritten Parteigremien zu suggerieren, sie möchten bitte nicht alles vergessen, aber davon wollten sie nichts hören. Sie sagten, sie verstünden das als ihre Verpflichtung.
Ich heiratete. Deshalb ging ich zu einer anderen Frau schlafen. Sie hatte einen Mann, und der Mann schlief bei einer dritten Frau. Auch diese dritte Frau hatte einen Mann, aber der war nicht zu Hause. Ich weiß nicht, was mit der zweiten Frau passiert ist, ich erinnere mich nicht, ich weiß nur, dass ich mich plötzlich bei der dritten Frau befand. Der Mann der zweiten Frau hatte nur das Leintuch gehoben, und ich hatte mich zwischen sie gelegt. Bald war er weggezogen. Es hatte keinen Sinn, dass ich Konkurrenz hatte. Ich bin schließlich der Bürgermeister. Ich kehrte zu der ersten Frau zurück. Ich verlangte, dass ihre Mutter mit uns schläft. Sie musste zustimmen. Die Parteigremien erörtern derartige Dinge nicht, und ihr Problem kam nicht auf die Tagesordnung.
Ich überlegte, was ich sonst noch im Leben erreichen könnte. Die Partei beschäftigte jeden. Manche flickten Netze, andere überwachten das Flicken der Netze, es gab auch solche, die das Überwachen überwachten, und die meisten Leute beschäftigten wir in der Stadtverwaltung. Einen ganzen Wolkenkratzer hatten wir in ein Stadtpalais verwandelt. Die Angestellten saßen an den Fenstern und sahen aufs weite Meer hinaus. Jemand sagte: "Bald kommt ein Unwetter. Man müsste Anker werfen." Darüber galt es einen Bericht zu erstellen. Und ihn an die Abteilung für Unwetter zu schicken, die dann den Gegenstand an die Abteilung zurückschickte, aus der er gekommen war, worauf diese Abteilung den Bericht prüfte und zum Schluss kam, dass er nicht in ihre Zuständigkeit falle. Alles endete im Archiv oder wurde in den Wind geworfen.
Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.
Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.
Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...
Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.
Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.
Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur
"Und du willst nach Senj, Thilo?“
Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.