Dunja Matić Benčić (geb. 1988) ist eine Prosaistin. Sie studierte Kuturologie und arbeitet als Assistentin an der Abteilung für Cultural Studies an der Philosophischen Fakultät in Rijeka, wo sie auch lebt. Sie veröffentlichte den Roman "Troslojne posteljine" ("Dreilagige Bettwäsche") (2017) und den Erzählungsband "Sinestezija" (2019) ("Synästhesie"). Sie ist Mitbegründerin und ehemalige Redakteurin der interdisziplinären Kulturzeitschrift "Drugost" (2009-2012). Ihr Roman "Mirovanje" ("Ausruhen") befindet sich in Vorbereitung. Sie war Mitglied des Vereins Katapult und Redakteurin des Onlinemagazins Književnost uživo (Literatur live). Seit 2018 ist sie Mitglied der informellen Literaturgruppe Ri Lit. Die Prosa von Dunja Matić Benčić vibriert in Spannungsräumen zwischen dem Intimen und dem Gesellschaftlichen, summiert Erfahrungen des Aufwachsens und des Formierens gesellschaftlicher Rollen, vor allem weiblicher. Ihr Schreiben ist geprägt von einem fragmentarischen Stil und einer diskret poetischen Qualität.
Dunja Matić
(Auszug aus dem Roman Mirovanje – 'Rast')
© der Übersetzung: Klaus Detlef Olof
Aber sie war es. Vor allem war sie das in den Nächten, in denen ich nicht einschlafen konnte. Obwohl von innerer Unruhe unbekannter Ursache erschöpft, marschierte der Körper stundenlang gehorsam von einem Ende des Zimmers zum anderen, mal beschleunigt, mal verlangsamt, solange bis sich das abgegangene Rechteck des Raums in einen Kreis verwandelte, in einen Strudel, der mich aus sich hinauswarf aufs Bett. Sie setzte sich hinter mich, umschlang mich mit den Beinen, als wäre ich in diesem Augenblick, schwer und übergroß, gerade aus ihr herausgekommen. Sie malte Kreise auf meinen Rücken, schrieb Buchstaben, die allmählich zu Wörtern wurden. Sie nahm all meinen, aus der Hilflosigkeit aufquellenden Schmerz in sich auf. Ihrer blieb unsichtbar und stumm, irgendwo hinter meinem Rücken. Wenn euch jemand von hinten umarmt, könnt ihr es nicht erwidern.
Hätte ich mich umdrehen können, wen hätte ich gesehen?
Eine Frau in den Vierzigern, deren graues Haar sie älter machte, als sie war. Das politische System, dem sie angehört hatte, war zersprungen wie das Glas des Fensters, durch das sie die Welt sah. Jetzt sieht sie zu, wie diese ganze Welt zusammenstürzt, rasch, schmerzhaft und laut, wie ein Körper, der aus großer Höhe herabstürzt, und sie stürzt sich ihm nach. Ein ganzes Jahrzehnt Stürzen. Irgendwo in der Mitte dieses Sturzes hat sie auch ihre Arbeit verloren, die Geschwindigkeit des Sturzes hat all ihre Schichten abblättern lassen. Sie versuchte etwas anderes zu finden, aber ihr Mann sagte, das brauchst du nicht, mach es dir leichter, lass es sein, du wirst der Mutter helfen, du wirst dich den Kindern widmen. Ich werde für uns sorgen. Sie hörte auf ihn. Einmal sagte sie zu mir, ohne Arbeit bleibst du ohne Gefühl für dich selbst, ohne Zweck. Nein, sie hätte nicht Sinn gesagt, sondern Zweck, denn für sie, für uns, ist der Zweck der Sinn. Nützlich sein, von jemand oder von etwas gebraucht werden. Morgens steht sie trotzdem früh auf und sieht eifersüchtig den Menschen nach, die irgendwo hingehen.
Wenn ich sie heute danach frage, was ihr das System bedeutet hat, warum sie es so sehr geliebt hat, zählt sie mir nur Wörter auf: Illegale, Kampf, Brüderlichkeit und Einheit, Partisanen, Idole. Nach ein paar Folgen dieser Schlüsselwörter verirrt sich manchmal eine Erinnerung herein, zumindest eine Erinnerung an ihren Vater. Dida, mein Großvater, mit Namen Golub, Begründer der Partisanenbewegung auf der Insel Ugljan, hat mit ihr verschiedene Geschichten aus seinem Leben geteilt, und sie hat diese an mich weitergegeben: Als junger Mann hat er bei einer reichen Familie, Österreicher, auf einem Schiff Dienst getan. Er war verantwortlich für alles, von kleineren Reparaturen bis zum Kochen und Bettenmachen. In Leinenhandschuhen hat er den Fisch filetiert. Als er weg ging, hat er von den Österreichern als Belohnung etwas Kleingeld bekommen, die Mutter sagt, ein Almosen. Und ihr Vater, erzählt sie mir, wirft dieses Kleingeld über die Reling, ins Meer. Er hat seine Arbeit korrekt, fleißig verrichtet, er hat verdient, anständig bezahlt zu werden. Sein Vorgesetzter meldet ihn dem Kapitän, und der Kapitän ruft ihn zum Gespräch zu sich. Ihr Vater gibt alles zu, er sagt, ja, ich habe es weggeworfen, und wiederholt, erklärt, ich habe alles erledigt, wie es zu sein hat. Danach habe der Kapitän dafür gesorgt, dass er für seine Verdienste anständig bezahlt wurde. Der Österreicher gab ihm persönlich ein solches Trinkgeld, wie er es verdient hatte. Als er ihr diese Geschichte erzählte, war die Mutter in Tränen ausgebrochen.
Wenn ich sie heute danach frage, antwortet sie mir mit sozioökonomischen Begründungen, in entflammten politischen Reden. Sie sagt zu mir, ich bin wütend, dass die Wirtschaft zugrunde gegangen ist, die Wirtschaft musste nicht zugrunde gehen. Von dem Staat, in dem es alle Tätigkeiten gab, in dem Ströme von Menschen morgens aufgestanden und zur Arbeit gegangen sind, was ist von all dem geblieben? Nur manchmal ziehe ich ein Detail aus ihr heraus, eine Geschichte, die, anstatt Teil eines nie geschriebenen Lehrbuchs zu sein, ihr persönlich gehört. Dann begreife ich, dass auch diese Erklärungen etwas Persönliches sind, sie sind unsere Grundlage. Mein Bruder und ich lehren und unterrichten heute, wir erklären. Er für Geld, ich für mein Wohlgefühl. Denn manchmal ist Arbeit auch Lohn für sich selbst. Unsere Mutter wusste das, während sie eifersüchtig vom Fenster aus den Menschen nachsah, die irgendwo hingingen, nachdem sie mit ihrem kleinen Mädchen schwer im Schoß einen weiteren Morgen erwartet hatte.
Auf einer der Fotografien von der Hochzeit leuchten unsere zwei Lächeln nebeneinander wie der Reflex in einem Spiegel. An dem Abend sagte sie, während wir darauf warteten, nach Hause gefahren zu werden, und die Gäste vor der Tür des Restaurants verabschiedeten: Früher haben wir uns viel erzählt, jeden Tag haben wir uns gehört, auch mehrere Male am Tag. Wir hören uns nicht mehr so viel, manchmal bin ich böse, aber dann sage ich mir, es ist gut, sie braucht dich nicht mehr.
Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.
Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.
Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...
Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.
Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.
Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur
"Und du willst nach Senj, Thilo?“
Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.