Von Christina Böck, Wiener Zeitung
Die kroatische Literatur der Gegenwart: keine Kriegsbrille, etwas Jugo-Nostalgie, viel Autobiografisches
Ohne Bestellung geht nichts. Kroatien mag zwar in Kürze in der EU ankommen - in den Wiener Buchhandlungen ist es noch nicht so weit. Dabei hat Kroatien mit seinen über vier Millionen Einwohnern eine erstaunlich dichte Literaturszene vorzuweisen. Darauf hat schon die Leipziger Buchmesse vor fünf Jahren versucht, aufmerksam zu machen. An die 40 Autoren werden in andere Sprachen übersetzt - das ist für ein kleines Land eine beachtliche Menge.
Einer der bekanntesten kroatischen Autoren der Gegenwart ist Edo Popovic. Er begann seine Karriere als Reporter, der vom Balkankrieg berichtete. In seinem Roman "Kalda" erzählt er die Geschichte des Kriegsfotografen Ivan Kalda, der im Zagreb der 60er Jahre aufwächst, inmitten allerlei Verlierer der sozialistischen Gesellschaft. Die Art, wie Popovic erzählt, ohne Wehmut, aber mit Witz, ist symptomatisch für die jüngere kroatische Literatur, die von viel Humor und keineswegs von Schwermut (wenn auch manchmal von "Jugo-Nostalgie") gekennzeichnet ist. Und auch das Zeichnen von geschichtlichen Panoramen über weite Zeitläufte hat seine Tradition in der kroatischen Literatur: Das machte schon Ivo Andric, der in "Die Brücke über die Drina" über 100 Jahre Beziehungen zwischen Bosnien und dem Osmanischen Reich erzählte. Und dafür den Literaturnobelpreis erhielt - damals, 1961, allerdings noch als Jugoslawe.
K.u.k.-Verbindungen
Als Säulenheiliger der kroatischen Literatur der Moderne gilt freilich Miroslav Krlea. Bei den diesjährigen Wiener Festwochen hat Martin Kuej drei Stücke von ihm für einen Mammut-Theaterabend unter dem Titel "In Agonie" zusammengezogen: Das Panorama, das Krlea zeichnet, ist jenes des Untergangs der Donaumonarchie. Mit seinen kakanischen Themen ist Krlea der österreichischen Literatur von Musil bis Kraus sehr verwandt, sagt Bremer. Die Großbürger sprechen in den Dialogen der Stücke deutsch, wie es in der Oberschicht Zagrebs tatsächlich der Fall war. Die k.u.k.-Vergangenheit spielt für die kulturelle Identität nach wie vor eine wichtige Rolle, sagt Bremer: "Es ist ein philosophischer Unterschied, ob man in einem orthodoxen, einem osmanischen oder in einem katholischen Umfeld lebt. Diese Unterschiede machen die Region aber auch so spannend." Und die Beziehungen zu Österreich bleiben: Die Übersetzungen ins Deutsche erscheinen oft in österreichischen Verlagen, etwa bei Folio, Zsolnay oder Leykam.
Wer denkt, dass Kroatisch als Literatursprache noch jung ist, der irrt: Die Geburtsstunde dafür datiert Alida Bremer schon im 15. Jahrhundert, da schrieb Marko Marulic, ein kroatischer Dichter und Humanist, sein Epos "Judita" in kroatischer Sprache. Gegen die Vereinheitlichung einer gesamtjugoslawischen Sprache haben sich die Kroaten immer gewehrt, unter k.u.k.-Herrschaft genauso wie im Kommunismus. Die Politisierung der Sprachenfrage habe aber wenig Einfluss auf die Literatur, sagt Bremer. Christa Nebenführ sieht freilich ein anderes Problem, dass die Sprachendifferenzierung mit sich bringt: Plötzlich ist das ehemalige Jugoslawien, das ein großer Markt war, aufgeteilt in verschiedene kleine Buchmärkte. Natürlich würde nicht vom Kroatischen ins Serbische übersetzt, da sich die beiden etwa so stark unterscheiden wie Deutsch und Österreichisch. Aber nun wird zwischen kroatischer, bosnischer, serbischer Literatur unterschieden, was zur Reizüberflutung beim Konsumenten führen kann.
Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.
Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.
Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...
Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.
Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.
Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur
"Und du willst nach Senj, Thilo?“
Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.